Das Königsmal
trocken wie Pergament. Sie zupfen und zerren an mir und verbreiten ihren üblen Atem. Ich lache sie aus. Schaut mich an, sage ich, denkt ihr, ein blühendes Weib folgt euch in die Fäulnis der Vergangenheit? Doch sie lassen nicht locker. Wie ein surrender Schwarm Mücken überfallen sie mich und mein süßes Fleisch.“
Auch ich meinte bisweilen, ein flatterndes Geräusch hinter mir zu hören, ein Rascheln in den Winkeln, das meinem Herzen einen erschreckten Stoß versetzte. Vielleicht war es aber auch nur ein Spaß des Braunschweigers, der uns Frauen mit seiner Knochenhand erschreckte. Mal ließ er sie bei Tisch liegen, einen Becher Wein umschließend, und eines der Mädchen musste sie ihm auf einem Tablett nachtragen. Ein anderes Mal hatte er den schrecklichen Knochen so in der Küche drapiert, dass nur ein weißer Finger zwischen Tellern und Schüsseln hervorragte. Die Köchinnen schworen, die Hand des Teufels habe auf sie gezeigt, und für viele Wochen schmeckte jedes Gericht nach Wacholder und Weihrauch, womit sie das Böse vertreiben wollten.
Doch an diesem Abend regte sich das Echo der Erinnerungen nicht. Ich hatte keine Geräusche aus anderen Welten gehört. Feuer flüsterte im Kamin und streckte seine wärmenden Zungen in den Raum. Süßlich-schwerer Rosenduft mischte sich mit dem herben Erdgeruch des Holzes.
Plötzlich klopfte es an der Tür und Wiebke trat ein, hastig, so, als ob sie etwas verfolgte. Sie trug Umhang und Pantinen, und da ich sie seit dem Nachmittag nicht mehr gesehen hatte, musste sie eben von der Erfüllung ihrer Pflicht zurückgekehrt sein, die die Gräfin ihr auferlegt hatte.
Ich hatte mir Sorgen gemacht, da sie lange fortgeblieben war und ich mir nicht vorstellen konnte, dass Madame das Mädchen schon mit einem Kurierdienst beauftragt hatte. Vielleicht war es zu einer der Zigeunerinnen geschickt worden, die im Tross mitzogen? Die Gräfin ließ sich bisweilen Tinkturen kommen gegen die sie häufig plagenden Kopfschmerzen. Der König und sein Leibarzt meinten dagegen, sie sollte weniger roten Wein trinken, denn dieser beschwerte ihre Gedanken und machte sie launisch.
Als ich Wiebke sah, wusste ich jedoch, dass sie etwas anderes durch die Felder getrieben hatte. Schuhe und Rock waren mit Schlamm verkrustet, und ihre Augen flackerten entschlossen. Sie sah mich nicht an und verlangte ganz und gar ungezogen, allein mit Madame zu sprechen. Besorgt verließ ich das Frauenzimmer und stieg hinauf in meine Kammer. Obwohl ich müde war, ging ich nicht zu Bett. Ich ahnte, dass ich keinen Schlaf finden würde, und so saß ich einfach da und betrachtete die Schatten, die das Kerzenlicht auf die weiße Wand zeichnete.
Vielleicht war ich doch ein wenig eingenickt, denn ich kann nicht mehr sagen, wie viel Zeit verging, bis der Kammerdiener des Königs vor mir stand.
„Die kleine Wäscherin braucht Eure Hilfe“, flüsterte er, um mich nicht zu erschrecken. Dann sah ich Wiebke auf meinem Bett sitzen. Blass und rot zugleich, bis ich bemerkte, dass sie verletzt war. Sie drückte sich ein Tuch gegen die Stirn und protestierte, als ich einen Blick darunter werfen wollte.
„Es ist nicht schlimm“, sagte sie, doch ihre Stimme zitterte. „Ich wollte Euch nicht wecken, aber Seine Majestät bestand darauf. Ein wenig Wiesensalbei wird mir helfen.“
„Wiesensalbei?“
„Ja. Er stillt das Blut und nimmt den Schmerz. Zu Hause behandelten wir das Vieh damit.“
„Das Vieh?“
„Ein verletztes Rind und manchmal auch ein Schwein.“
Trotz meines Schreckens musste ich lachen und schickte den Kammerdiener in die Küche, um kaltes Essigwasser, ein sauberes Tuch und etwas Honig zu holen. Dann wusch ich die Wunde vorsichtig aus und strich Honig darüber.
„Die Verletzung ist nicht sehr tief“, beruhigte ich Wiebke. „Der Honig reinigt und hält die Wunde geschlossen. In ein paar Tagen können wir Zwiebelsud darüberstreichen, dann bildet sich keine hässliche Narbe.“
Der Kammerdiener zog sich zurück, doch Wiebke blieb bei mir sitzen und ordnete ihr Haar. Ich strich ihr eine Strähne hinters Ohr, dann erkundigte ich mich, was passiert war.
„Die Gräfin hat ihre Bürste nach mir geworfen“, antwortete sie nach einigem Zögern. „Ich habe sie wütend gemacht.“
„Du warst draußen im Feld, oder?“
„Bitte frag nicht“, bat sie, und der weiche Klang ihrer Stimme verlor sich in der Dunkelheit, die uns umschloss. „Bitte frag mich nicht weiter aus.“
Ich schwieg und legte meinen Arm um
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