Das Königsmal
Zorn. Nachdem sich die Tür hinter ihrem Mädchen geschlossen hatte, war sie aufgesprungen und hatte sich auf das Bett geworfen. Ihre Fäuste trommelten auf die Kissen ein, als läge der Rheingraf neben ihr und sie könnte ihre Wut an ihrem Liebhaber austoben. Entsetzt sprang der Mops vom Bett und flüchtete.
Als auch das letzte Kissen in einer Ecke des Raums gelandet war, Kerzen und Leuchter am Boden lagen und sich ihre Höhle über- haupt in einem Zustand bedenklicher Auflösung befand, kam sie langsam wieder zu sich. Stumm betrachtete sie das Ergebnis ihrer Raserei, das an ein Schlachtfeld erinnerte. Ein schlimmeres Durcheinander hätten auch die Truppen des Kaisers nicht hinterlassen können.
Der Brief des Rheingrafen lag noch immer ungeöffnet auf dem Tischchen. Sie nahm ihn und brach das Siegel auf. Im Schein des Kaminfeuers las sie die wenigen Zeilen in der schwungvollen Schrift, die den leidenschaftlichen Liebhaber widerspiegelte.
Wie dumm von ihr, ausgerechnet die hübsche Wiebke als Kurier zu schicken. Die kleine Wäscherin mit ihrem wachen Verstand hatte schließlich auch schon den König bezirzt, sie musste ja Eindruck machen auf diesen Schuft. Aber was war schon passiert? Ein lüsterner Griff an ihren jungfräulichen Busen? Eine ungeschickte Rangelei auf einem stinkenden, schmalen Feldbett? Lächerlich!
Und Wiebke hatte sich ihr in ihrer Naivität offenbart, sie musste also keine unliebsame Konkurrenz fürchten. Ihr allein galt die Leidenschaft, die Raserei des Grafen. Sie allein wusste, wo sie ihn berühren musste, um ihn auf den Weg zur Wonne zu führen.
Sie würde dafür sorgen, dass Otto dem Mädchen nie wieder unbeobachtet gegenüberstand. Und bei ihrem nächsten Beisammensein würde sie ihn spüren lassen, dass sie seine Aufmerksamkeit ausschließlich für sich allein beanspruchte.
Kirsten lächelte und plante weiter. Ihre Briefe sollte in Zukunft wieder der alte Stallknecht überbringen. Sie bezahlte ihn gut, und dank seiner Spielschulden, von denen sie wusste, hatte sie ihn vollkommen in der Hand. Wiebke dagegen würde sie in den nächsten Tagen die kalte Schulter zeigen. Das Mädchen sollte spüren, dass man seiner Herrin nicht widersprach und den Offizieren schöne Augen machte. Der Zorn ihrer Herrin sollte ihr eine Lehre sein.
Entschlossen griff sie sich den noch immer verängstigten Mops und gab ihm einen Kuss auf die feuchte Nase. Die Unordnung konnten die Mädchen morgen beseitigen, jetzt wollte sie mit einem Glas Wein zu Bett gehen und sich ein wenig den lustvollen Anweisungen des Grafen widmen.
Es war spät geworden, doch Christian wollte seiner Frau die Nachricht des bevorstehenden Aufbruchs noch persönlich überbringen. Nachdem ihn das Kabinett und auch Wenzel Rothkirch verlassen hatten, war er noch einige Zeit allein im Turm geblieben und hatte die Ruhe und Einsamkeit genossen.
Als er jetzt die Treppe hinabstieg, bemerkte er, dass seine Schritte unsicher waren und er schwankte. Es war nicht allein der Wein, von dem er einige Becher hinuntergestürzt hatte. Er war müde, und die Last seiner Entscheidung drückte schwer auf seine Schultern. Er hoffte, dass Kirsten ihm ein wenig Trost und Ablenkung schenken würde.
Auf dem Flur zu den Gemächern seiner Frau kam ihm Wiebke entgegen. Sie knickste und wandte sich schnell von ihm ab, doch er sah, dass sie sich ein Tuch an die Stirn presste. Blut sickerte langsam darunter hervor und tropfte auf ihr weißes Mieder, auf dem sich bereits einige Flecken zu einem seltsamen Muster vereint hatten. Wie Blüten und Ranken, kam es ihm in den Sinn, bevor ihn plötzlich Angst durchfuhr.
„Wiebke, was ist passiert?“ Entsetzt hielt er sie auf.
„Es ist nicht schlimm, Majestät“, versuchte sich das Mädchen um eine Antwort zu drücken. „Nur ein kleiner Kratzer.“
„Mädchen antworte mir, was ist passiert?“
„Ich war ungeschickt, mein Herr. Nichts weiter.“
„Ungeschickt? Wobei?“
„Die Gräfin war nicht zufrieden mit mir. Eure Frau nahm die Bürste und schlug nach mir“, wisperte sie tonlos.
Für einen Moment war der König sprachlos. Er wusste, dass seine Frau unbeherrscht sein konnte und dass ihr auch ab und zu die Hand ausrutschte. Aber das hier war keine Kleinigkeit, die man mit einem Schulterzucken abtun konnte. Vorsichtig nahm er Wiebke das Tuch von der Stirn und begutachtete die Wunde.
„Geh in die Küche und lass dir einen kalten Essigwickel geben“, wies er sie an. „Dann leg dich hin, ich lasse Johanna nach
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