Das Königsmal
meinte, Misstrauen in ihren Augen zu lesen.
Anders verhielt es sich mit Ellen Marsvin, Kirstens Mutter. Die resolute Dame, die noch einige Wochen bei ihrer Tochter und den Enkelkindern geblieben war, bevor sie zurück auf ihr Gut nach Fünen reiste, hatte sich prächtig mit der Zofe verstanden.
„Du hast ein warmes Herz und bist klug“, hatte sie Wiebke bei ihrer Abreise gelobt. „Halte ein Auge auf meine Tochter, sie neigt zu Dummheiten. Sie ist ein unglückliches Weib und versucht ihre Melancholie mit gefährlichen Vergnügungen zu betäuben.“
In diesen Winterwochen im Hamelner Stiftsherrenhaus hatte Wiebke so manchen Streit zwischen Mutter und Tochter mit angehört. Ellen Marsvin machte ihrer Tochter immer wieder Vorwürfe.
„Du setzt deine Ehe und das Wohl der Familie für dein schändliches Laster aufs Spiel, Kind“.
Kirsten Munk hielt dagegen, ihre Mutter habe sich das Unglück selbst zuzuschreiben.
„Du hast mich an den König verkauft“, hatte sie ihr mehr als einmal trotzig entgegengesetzt. „Du hast mich einem Mann ins Bett gelegt, der mein Vater sein könnte. Jetzt hole ich mir das, was du mir verwehrt hast.“
Tatsächlich, so erfuhr Wiebke von Johanna, hatte die geschäftstüchtige Ellen Munk ihre Tochter wie ein Stück Vieh an den König verschachert, nachdem sie seine verliebten Blicke beobachtet hatte.
„Warum blieb sie nicht die Mätresse des Königs wie Kirsten Madsdatter oder Karen Andersdatter vor ihr? Sie hätte ihm ein paar Kinder geschenkt und ein gutes Leben geführt. Wenn sie einander überdrüssig geworden wären, hätte der König sie in ein wohl versorgtes Leben entlassen“, sagte Johanna.
Sie war inzwischen zu Wiebkes engster Vertrauten geworden. Die Hofdame war ihr so nahe wie niemand sonst. Wiebke hatte nicht vergessen, mit welcher Sorge Johanna sie auf der Steinburg umfangen hatte. Sie spürte ihre selbstlose Liebe.
„Doch ihre Mutter witterte ein besseres Geschäft und drängte Seine Majestät zu einer Hochzeit, und er war so verliebt in dieses Mädchen, das fast noch ein Kind war, dass er einwilligte. Und die ersten Jahre waren gut, Wiebke. Sie konnten nicht voneinander lassen“, fügte Johanna hinzu.
Wiebke hatte nicht glauben können, dass diese kleine Frau mit den freundlichen Augen, die immer ein wenig nach süßer Marmelade roch, die sie im Sommer mit Vergnügen selbst einkochte, so kalt war. Doch zwei vorteilhafte, aber leidenschaftslose Ehen hatten sie zu einer reichen, nüchtern kalkulierenden Frau gemacht, und jetzt, mit über fünfzig Jahren, zählte die Witwe zu den größten Landbesitzern Dänemarks. Und sie war eifrig darauf bedacht, ihr Vermögen und Ansehen noch zu mehren.
Wiebke seufzte. Sie sorgte sich um den König, der so viele Schläge hatte hinnehmen müssen – von irdischen Feinden und himmlischen Dämonen. Sie wusste um die angespannte Situation an der Front. Sie hatte seine stille, tiefe Trauer um Christian von Braunschweig beobachtet. Seine suchenden Blicke in die Ferne, seine gedankenzerfurchte Stirn, das nervöse Zerren an der heiligen Locke. Jeder Kurier, der im Lager eintraf, wurde mit ängstlicher Spannung empfangen. Wo stand der Feind? Wie lange noch?
Auch das Leben in der Wolfenbütteler Residenz glich einem nervenzerreißenden Tanz nahe dem Abgrund. Der König und seine Frau lebten in eisiger Distanz nebeneinander her. Nie schien die gegenseitige Sprachlosigkeit größer gewesen zu sein, und doch trug ihr Schweigen eine gefährliche Botschaft in sich. Wiebke fürchtete sich vor dem Tag, an dem diese beiden leidenschaftlichen Menschen aneinandergeraten würden.
Natürlich spürten die Kinder den verbissenen Kampf der Eltern und waren deshalb ebenso streitlustig. Das Personal dagegen duckte sich und stürzte sich in seine Aufgaben, um nicht zwischen die Parteien zu geraten. Doch hinter den herrschaftlichen Kulissen, in den Gesinderäumen, entluden sich die Gewitterwolken. Die Köchin schalt mit den Mägden, der Hofmeister mit den Burschen. In der Kammer wurde die Milch sauer, die Butter ranzig, und die Sahne gerann nicht.
Draußen schlich der König durch das Gartentor in die Residenz. An den Gartensälen vorbei gelangte er über die hintere, kaum genutzte Treppe in den ersten Stock, wo seine Räume lagen. Frederik, sein Kammerdiener, erwartete ihn dort, um ihm beim Ankleiden und der Rasur zu helfen.
Christian war nicht eitel, legte aber Wert auf eine Erscheinung, die seine königliche Würde unterstrich. Seine Kleidung
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