Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
Vom Netzwerk:
auf ihr Bett und schleuderte die Schuhe von den Füßen.
    Seitdem das königliche Lager in Wolfenbüttel aufgeschlagen worden war, hatte sie Christian nur dann gesehen, wenn es sich nicht vermeiden ließ – bei den Mahlzeiten oder den Empfängen, die der König regelmäßig abhielt. Hameln und der Unfall hatten ihn verändert. Er behandelte sie unfreundlicher, suchte kaum noch ihre Nähe. Und ihr gefiel dieses eigenständige Leben an seiner Seite. Sie konnte ihre Tage nach eigenem Gusto gestalten und bestellte immer öfter ihren Liebhaber ein. Christian blieb viele Nächte im Feldlager und hatte ihre Gemächer seit dem Winter nicht mehr betreten.
    Sie setzte sich auf und griff nach ihren Gedanken. Ihr geheimes Buch, in das sie ihre Träume und Erlebnisse schrieb, hatte sie schon als junges Mädchen begleitet. Viele Seiten waren gefüllt mit kindlichen Schwärmereien. „Heute Eggstein gesehen, seine Blicke trafen mich, und mir wurde heiß“, hatte sie über einen Freund ihres Vaters notiert, in den sie sich als Vierzehnjährige verliebt hatte. Doch der mehr als doppelt so alte Eggstein, der eine Vorliebe für Likör und ausgefallene Hüte besaß, war schon bald durch andere Objekte ihrer Fantasie ersetzt worden. Morten, ihr Reitlehrer, mit dem sie die hohe Schule der Dressur übte und der sie in einer dunklen Stallnische ungestüm geküsst hatte, bevor ihm die Ungeheuerlichkeit seiner Tat bewusst wurde und er das Fräulein um Verzeihung bat. Sie sah ihn nie wieder an.
    Später dann war sie ganz hingerissen von Peter Olsen gewesen, einem jungen Offizier aus der Nachbarschaft, der ihr zeigte, dass ein Kuss mehr als ein sanftes Versprechen sein konnte – eine heftige, schamlose Vereinigung zweier Münder, die nacheinander gierten. Der sich an ihren Brüsten gerieben hatte und sie in das Urgeheim- nis der menschlichen Existenz eingeweiht hatte: „Mein Schaft muss in deine Dose geführt werden und dort seinen Samen pflanzen.“
    Doch bevor sein Schaft unter ihre Röcke hatte gelangen können – und er besaß ein beeindruckendes Exemplar, ein stabiles Kanonenrohr, das sich schon aufrichtete, wenn er nur in ihr weißes De- kolletee blicken durfte –, war Christian gekommen. „Mit dem König geflüstert, er berührte meinen Nacken“, hatte sie keusch über eine ihrer ersten Begegnungen geschrieben. Und schließlich: „Seiner Majestät durch Heirat zugeführt worden.“
    Hatte sie ihn geliebt? Nein, sie war berauscht gewesen, dachte sie. Die Macht, die Autorität, das glanzvolle Leben hatten sie trunken gemacht und die Entscheidung ihrer Mutter nicht anzweifeln lassen. Was hätte ihr auch Besseres passieren können? Und Christian hatte sie vergöttert. Stundenlang wollte er sie verwöhnen, ihren Körper mit Küssen bedecken, mit ihrem Haar spielen, an ihr riechen, sie mit Kostbarkeiten beschenken.
    In ihrer ersten gemeinsamen Nacht war er behutsam gewesen. Er war nackt zu ihr ins Bett gestiegen und hatte sie ausgezogen und mit Zärtlichkeiten eingehüllt. Plötzlich waren seine Finger in ihr gewesen, als würde er versuchen, ihre kleine, kostbare Dose zu öffnen. Er hatte ein Kissen unter ihren Hintern geschoben und ihre Beine gespreizt.
    „So ist es gut“, hatte er geflüstert. „Komm zu mir, mein schönes Mädchen.“ Dann war er in sie eingedrungen, und keine vage geflüsterte Andeutung ihrer Mutter oder ihrer Freundinnen hatte sie auf diesen Schmerz vorbereiten können. Ihren Schrei erstickte Christian mit einem Kuss, dann ließ sie es geschehen, bis der königliche Samen mit einem lustvollen Stöhnen gepflanzt war. Erst viel später war auch sie dahintergekommen, dass die Magie dieser seltsamen Vereinigung von Mann und Frau in eben diesem Stöhnen lag.
    Sie blätterte weiter. Viele Seiten waren mit den Eindrücken ihres königlichen Lebens gefüllt. Je weiter sie in die Gegenwart vordrang, desto seltener spielte Christian in ihren Aufzeichnungen noch eine Rolle. „Noch einen Sohn geboren, schreckliche Schmerzen, will ihn nicht sehen, C. wie immer außer sich vor Freude“, war der letzte Eintrag, der ihren Mann betraf. Dann folgte eine detaillierte Beschreibung des Schmuckstücks, das er ihr zur Geburt des kleinen Friedrich Christian geschenkt hatte.
    Jetzt schrieb sie auf die erste leere Seite, die nach einigen Gedanken über ihr wundervolles Geheimnis, „das mir Gott zu meinem Vergnügen wohl zugeführt haben muss“ , folgte, in großen, wütenden Buchstaben: „C: ICH HASSE IHN. Muss meinen Gärtner

Weitere Kostenlose Bücher