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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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Grausamkeit der Mensch fähig war.
    Christian hatte unvorstellbar Schreckliches gehört und gesehen: geschändete Mädchen und Frauen, denen man Köpfe und Brüste abgeschnitten hatte. Winzige, verkohlte Kinderleichen, die von ihren schreienden Müttern aus brennenden Hütten geborgen wurden. Aufgeschlitzte und dann gehängte Männer, denen die Gedärme aus den Bäuchen quollen. Vergeblich baten Städte und Dörfer unter kaiserlichen Treueschwüren um Garantien für ihre Sicherheit, doch Tilly hatte sie unter seinen marodierenden Söldnern nicht durchsetzen können. Die Erinnerungen quälten Christian noch immer. Mir selbst, so dachte er, ist es nur mit Mühen gelungen, die Männer bei Kräften und unter Kontrolle zu halten. Auch in Hameln hatte man Hunger und Not gelitten.
    Als das Frühjahr endlich kam, zögerlich und mit kaltem Regen, begann es mit einer neuen Schreckensbotschaft. Christian betrachtete das Bild in seinen Händen und während sich sein Blick in den dünnen Farbschichten verlor, schien ihm ein anderes Gesicht entgegenzuleuchten – es waren die Züge Kardinal Richelieus. Nachdem sich der Erste Minister der Franzosen mit den Hugenotten geeinigt hatte, zog er nach dem Frieden von Monzon die französischen Truppen aus dem Veltlin zurück. Die Folgen für die Protestanten waren schrecklich: Die Alpenpässe standen den Spaniern wieder offen, und auch der lange Zeit unterbrochene Nachschubtransport von Männern und Material kam erneut in die Gänge.
    „Die Habsburger und der Kaiser sind stärker als je zuvor“, seufzte Christian in die Morgenröte. „Was ist mir gelungen?“, fragte er sich wenig später, und die Vögel schienen ihn mit ihrem Gesang auszulachen.
    Sein Vorstoß ins Bistum Osnabrück hatte auch dort die Wahl des dänischen Prinzen Friedrich zum Stellvertreter des Bischofs erzwungen, aber seine Freude darüber war von der nächsten Katastrophe abgelöst worden: In Hessen war Christian von Braunschweig Landgraf Moritz entgegengezogen, doch seine Angriffspläne endeten in einem Fiasko. Nur mit Mühen hatte er seine schlecht bewaffneten Bauern über die Grenze gebracht, wo er erfahren musste, dass der Graf – inzwischen selbst ohne Heer und völlig mittellos – mit den Feldzügen des Dänenkönigs nichts mehr zu tun haben wollte. Völlig erschöpft, seiner Kräfte und Kampfeslust beraubt, hatte sich der Braunschweiger ins Schloss Wolfenbüttel zurückgezogen, wo er im Juni entkräftet starb.
    Die katholische Seite behauptete, er wäre so elend zugrunde gegangen wie Herodes, der Kindermörder von Bethlehem. Ein Riesenwurm hätte seine Organe zernagt. Christian jedoch wusste, dass ein Fieber den Enttäuschten dahingerafft hatte, dem nach Besitz und Heer nun auch seine Ehre genommen worden war. Selbst der staubige Handschuh seiner Angebeteten Elisabeth Stuart, den der König ihm persönlich ans Bett gebracht hatte, ließ ihn nicht mehr vom Krankenlager aufstehen. Christian hatte seinen jungen Neffen wie einen Sohn betrauert.
    Danach schien seine Welt ganz und gar in Stücke zu brechen. Auch Ernst zu Mansfeld, der sich seinen Weg nach Südosten hatte freikämpfen wollen, war gescheitert.
    „Was tust du, mein Gott?“, flüsterte Christian, und vor seinem inneren Auge erschienen die Dessauer Brücke, die Elbauen, Wallenstein, der mit seinen Truppen an die Furt marschiert war, wo Mansfeld den Fluss überqueren musste. Christian sah die mächtige Wand der Bewaffneten vor sich, Tausende, bereit, sich auf die Protestanten zu stürzen. Mansfeld hatte Wallenstein unterschätzt. Der Feldherr, so hatte man Christian berichtet, hatte die Dessauer Brücke mit seiner Artillerie und mit Truppen, deren geschickte Aufstellung über ihre wahre Stärke hinwegtäuschte, in eine tödliche Falle verwandelt. Der protestantische Feldherr, der sich stur auf die Erfahrung seiner Soldaten und die Wucht seiner Attacken verlassen hatte, musste nach schrecklichen Kämpfen in der Nacht den Rückzug antreten. Er ließ ein Drittel seines Heeres als Opfer der Wallensteinschen Kanonen tot in den Elbauen zurück.
    „Gott gab mir das Glück, Mansfeld aufs Haupt zu schlagen“, hatte Wallenstein in Richtung Wien trompetet und sich in der Gunst des Kaisers gesonnt. Christian dagegen hatten die verzweifelten Depeschen des Geschlagenen erreicht. Abgeschnitten und auf dem falschen Elbufer, wandte sich Mansfeld nach Nordosten und marschierte nun auf das neutrale, aber wehrlose Brandenburg zu. Er sandte seine Offiziere aus, um seine

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