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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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diesen Tagen.
    „Du hast deine ganze Kraft dem König geschenkt“, sagte ich und ließ sie die kräftige Suppe trinken, welche die Köchin extra für sie zubereitet hatte. Wir saßen auf ihrem Bett und sahen den Schneeflocken zu, die auf den Regen gefolgt waren und jetzt vor dem Fenster tanzten. Und nachts, wenn die Gräfin schlief, wachte ich über ihren Schlaf. Sie war so schwach in diesen Tagen, dass ich fürchtete, der Tod werde sich rachsüchtig an ihr Bett schleichen. Erbost darüber, dass der König seinen Fängen entwischt war.
    Doch Wiebke war stärker. Eine Woche später tobte sie wieder mit den Kindern durch den Schnee, der sich wie ein weiches Tuch über die Stadt gelegt und die Welt so wunderbar verwandelt hatte. Selbst die Bastionen vor der Stadt waren von den weißen Massen geschluckt worden, das Knallen der Soldatenstiefel war gedämpften Schritten gewichen. Für einen Moment war jeder Gedanke an den Krieg verschwunden, und die Welt schöpfte Hoffnung.

DER TRAUM
Wolfenbüttel, Juli anno 1626
    Mit dem neuen Tag erwachte das Leben im Schloss. Türen schlugen, Fenster klapperten, Wasser rauschte in den Brunnen. In den Stallungen bekamen die Pferde ihre morgendliche Ration Futter. Stallburschen machten sich daran, den Mist hinauszukarren und die Tiere sorgfältig zu striegeln.
    Christian war schon früh aus dem Bett geflohen. Albträume quälten ihn in den Morgenstunden, wenn die dunklen Schleier der Nacht auf die ersten tastenden Sonnenstrahlen trafen. Fueren führte die schrecklichen Schauspiele in seinem Kopf auf den Sturz bei Hameln zurück. Er hatte Baldrian verordnet, den der König vermischt mit einem Becher Wein vor dem Schlaf trinken sollte. Im Volk glaubte man, der Wurzelextrakt könne wegen seines starken Geruchs den Teufel, böse Geister, Hexen und Elfenneid fernhalten. Sein Arzt dagegen vertraute auf die beruhigende Kraft. Doch die Wirkung der bitteren Tropfen hatte nur wenige Wochen angehalten.
    Oft wusste Christian sich nicht anders zu helfen, als dem Schlaf zu entfliehen. Dann ging er, seinen Umhang nachlässig über das Nachthemd geworfen, in den wunderbaren Park der Wolfenbütteler Residenz und lauschte dort dem Gesang der Vögel, die mit ihm den Tag begrüßten. Zuerst die Nachtigall mit ihren lauten Flötentönen, dazwischen mischte sich das trillernde Zwitschern der Meisen. Spä- ter gesellten sich Amseln und Singdrosseln dazu, Spatzen und Schwalben fielen zuletzt ein. Ein musikalisches Meisterwerk, die flirrende Melodie fragiler Zwischentöne, die selbst seine besten Flötisten nur stümperhaft wiedergeben konnten.
    An diesem Morgen hatte Christian eine kleine Leinwand mit hinausgenommen. Im milden Licht des Morgens wirkte die Komposition besonders realistisch. Das Ecce homo zeigte ein Bild des leidenden Christus, das erst vor wenigen Tagen fertig gestellt worden war. Er hatte es nach einem seiner ersten Albträume, die ihn noch im Winter heimgesucht hatten, in Auftrag gegeben. Damals war ihm ein bleicher, blutleerer Himmelssohn mit Dornenkrone erschienen, der starr auf ihn hinabblickte. Die gebrochenen Augen des Gemarterten, die das gesamte Leid der Welt zu sehen schienen, hatten ihn schreiend aufwachen lassen. Jetzt fasste eine nüchterne Inschrift auf dem Rahmen das Grauen dieser Nacht in Worte: Diese Gestalt, unser Erlöser, der Herr Jesus Christus, ist mir im Traum erschienen, morgens früh am achten Dezember 1625.
    Eine Mahnung – der göttliche Auftrag, noch härter für den Sieg der Protestanten zu kämpfen? Oder ein prophetisches Bild all der Entsetzlichkeiten, die sich seit dem vergangenen Winter ereignet hatten? Immer wieder grübelte er über die Bedeutung seiner Vision nach.
    „Herr“, bat er und betete, „gebt mir ein Zeichen.“
    Nach seiner wundersamen Rückkehr in diese Welt, für die er dem Herrn in einem prachtvollen Gottesdienst hatte danken lassen – und in dem er unablässig an die kleine Wäscherin hatte denken müssen, deren Tränen ihm gegolten hatten –, war an eine Aufnahme der Kämpfe nicht mehr zu denken gewesen. Alle Räder des Krieges standen still. Wallensteins Heer hatte bei Magdeburg und Halberstadt Winterquartier bezogen, während Tilly und seine Männer sich im kleineren und ärmeren Bistum Hildesheim hatten niederlassen müssen. Die Suche seiner hungrigen Söldner nach Essbarem war schon nach kurzer Zeit in wüste Balgereien um Beute und Weiber ausgeartet. Die entfesselte Meute hatte der Welt auf entsetzliche Weise gezeigt, zu welcher

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