Das Königsmal
war aus edlen Stoffen gefertigt, meist aufwendig bestickt oder verziert. Er trug auffällige Spitzenkragen und kostbaren Schmuck: Ketten, Anstecknadeln, Zierknöpfe aus Edelsteinen. Auch im Alltag verzichtete er nur selten auf ein kurzes Cape, das am Jackenkragen befestigt wurde und ihn wie ein Paar Engelsflügel umwehte, wenn er mit seinen weitausholenden Schritten durch die Residenz eilte. Degen und hohe Stulpenstiefel oder die zusammengeschobenen Becherstiefel komplettierten den Aufzug.
Am späten Vormittag wurden der König und die Gräfin zu einem zweiten Frühstück im Saal erwartet, nachdem beide bereits eine Schale heißer Milch oder einen Becher gewürzten Weins und zuckrige Kringel im Bett oder während des Ankleidens genossen hatten. König Christian liebte um diese Zeit schon deftige Speisen auf dem Teller und einen Pokal mit verdünntem Wein. Kirsten Munk dagegen verlangte nach weiterem süßen Gebäck, Konfitüre und heißem, grünem Tee – eine Mode, die sich seit einigen Jahren an den Höfen und im gehobenen Bürgertum verbreitet hatte.
Die erste Lieferung Tee war aus Japan über Java in Amsterdam eingetroffen. Das heiße Getränk wurde schnell bekannt, vor allem Ärzte empfahlen den Aufguss als heilenden Trank, der Müdigkeit und Kopfschmerzen vertreiben sollte. Die Gräfin schätzte seine anregende Wirkung und sprach dem Tee ein Gefühl innerer Befreiung zu.
„Er beflügelt mich mehr als ein Becher Wein“, hatte sie Fueren erklärt. „Es ist ein Mittel zur Glückseligkeit, kann ich den Tag also besser beginnen?“ Und so trank sie oft bis zu zehn Tassen von diesem „Aufguss aus Heu“, wie Christian angewidert spottete.
Auch Fueren schätzte den Tee und seine Wirkung auf Körper und Geist. Er empfahl auch dem König, täglich davon zu trinken.
„Er hilft gegen Blähungen, Magenverstimmung und Gicht, Majestät.“
Doch Christian verweigerte sich diesem neuen Getränk eisern – misstrauisch gegen das allzu oft verseuchte Wasser.
„Warum Wasser trinken, wenn ich Wein bekommen kann?“, scherzte er. „Der Rausch ist mir heilig.“
Neben dem Tee hatte Kirsten Munk eine weitere neue Sitte bei Tisch eingeführt – zweizinkige Gäbelchen, mit denen die Speisen zum Mund geführt werden konnten. Früchte und Süßigkeiten spießte sie mit graziler Pose auf, um sich die Finger nicht länger zu beschmutzen. Auch diese Mode belächelte der König. Er bediente sich weiterhin nur des Messers, auch wenn er nicht – wie Kirche und Volk – glaubte, die Gabel sei ein Werkzeug des Teufels und verderbe die Speisen. Zum Tranchieren der großen Bratenstücke ließ er diese denn auch zu.
Als Wiebke die Gräfin an diesem Morgen zu Tisch begleitete, wunderte sie sich einmal mehr, woher die Küche noch immer die edlen Speisen nahm. Das Volk hungerte schon lange bei dünnen Biersuppen, Hafergrützen oder gekochtem Gras und Blättern, während die Wolfenbütteler Tafel täglich neue Köstlichkeiten bot: feines Brot, Schinken mit Kamelinsoße, dem Saft von Trauben, zerkleinerten Rosinen, zerstoßenen Mandeln, mit Zimt und Nelken gewürzt. Dazu Fleischbrühe und Pasteten, Aprikosenkonfitüre und Quittenpaste, die zur Hälfte aus teurem, weißem Zucker bestand.
Christian hatte bereits an seiner Seite der Tafel Platz genommen. Nichts erinnerte mehr an den morgendlichen Wanderer, das lange Nachthemd war einem Wams aus Brokat gewichen. Wache Augen blickten sie an, bevor sich seine Aufmerksamkeit wieder auf die Männer neben ihm richtete. Dort saßen General Fuchs, Pogwisch, Rothkirch und Buchwald, die, aus dem Feldlager kommend, neueste Meldungen brachten und mit dem König diskutierten.
„Die Truppen Mansfelds sind weiter in Bewegung“, berichtete Fuchs, der mit einem Stückchen Brot Soße von seinem Teller tunkte und mit Genuss verzehrte. „Er schreibt, er habe genug Rekruten zusammengebracht, um die schlesische Grenze zu überschreiten, und will nach Süden vorrücken, um sich mit Bethlen Gabor zu vereinigen.“
„Dann muss Wallenstein ihn verfolgen“, sagte Buchwald und Hoffnung schwang in seiner Stimme mit. „Wenn sich die feindlichen Streitkräfte teilen und Tilly allein gegen unser Heer steht, müssen wir die Stunde nutzen, Sir.“
„Sollte das geschehen, werden wir die Gelegenheit beim Schopfe packen“, stimmte der König zu und zerteilte ein Stück Schinken mit energischen Schnitten. „Das ist die Chance, auf die wir den ganzen Sommer über gewartet haben. Dann können wir südwärts nach
Weitere Kostenlose Bücher