Das Königsmal
Thüringen marschieren, um zwischen den voneinander getrennten feindlichen Heeren ins Innere des unbeschützten Süddeutschlands vorzustoßen.“
Die Gräfin hatte das Gespräch der Männer mit kaum verhohlenem Desinteresse an sich vorüberziehen lassen. Sie blickte durch die hohen Flügeltüren hinaus in den Garten der Residenz und träumte. Durch die unebenen Scheiben schien es, als schwebten die Rosenstöcke über der Erde. Als jedoch der Name Wallenstein fiel, horchte sie auf.
Lächelnd wisperte sie Wiebke zu: „Wallenstein ist ein Mysterium. Vom unbekannten Landadligen ist er zum mächtigsten Kriegsherrn Europas aufgestiegen. Schau nur, wie sie alle vor ihm zittern.“
„Nicht nur seine Feinde zittern vor ihm“, erwiderte Wiebke leise, die viele Gespräche über den Condottiere mit angehört hatte und wusste, dass auch die Berater des Kaisers den Emporkömmling misstrauisch beäugten. „Man nennt ihn den heimlichen Kaiser, und der berühmte Mathematiker Johannes Kepler hat ihm schon früh ein Horoskop erstellt und ihm eine große Zukunft prophezeit. Nur der Kanzler in Polen, eine englische Königin und wenige andere Mächtige hätten ein ähnliches Sternenbild bei ihrer Geburt gehabt, heißt es.“
Wiebke war fasziniert von der Vorstellung, das Schicksal des Menschen aus den Sternen lesen zu können. Auch Christian, dem der dänische Hofastrologe Tycho Brahe bei seiner Geburt ein fruchtbares Leben, in dem er auf der ganzen Welt zu Ehren und Würden kommen würde, vorausgesagt hatte, zweifelte nicht an der Macht der Sterne.
Den Frauen hatte er die Berechnungen der Gelehrten erklärt: „Von der Planetenstellung zum Zeitpunkt der Geburt schließt man auf den Charakter des Menschen. Dann berechnet man die künftigen Sternenkonstellationen, aus denen sich ableiten lässt, was diesen Menschen zu den unterschiedlichsten Zeiten seines Lebens erwarten wird.“
Als entscheidende Einflüsse galten neben der Kraft von Sonne und Mond die Position der fünf bekannten Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn zueinander, die zwölf Häuser der Lebensphase von Geburt bis zum Tod und die Stellung der Planeten zu den Hauptpunkten des Horoskops.
„Im Mittelpunkt steht die Erde, alles andere dreht sich um sie“, hatte Christian beschrieben und dazu eine rätselhafte Zeichnung angefertigt. „Jedem der Planeten und Gestirne werden bestimmte Eigenschaften zugeordnet, die den Charakter des Menschen bestimmen. Nach der astrologischen Lehre wirkt die Sonne, die sich auf der äußersten Bahn befindet, am stärksten; sie prägt den Geist. Der Mond hingegen steht für die Seele.“
Den Kreis, den die Planeten beschrieben, hatte Christian gemäß der vorherrschenden Lehre in zwölf Tierkreiszeichen unterteilt, welche die Verhaltensweisen und Stimmungen des Menschen beeinflussen sollten. Der Bereich zwischen Erde und Sonne war wiederum in zwölf Häuser unterschieden, von denen jedes für einen Lebensbereich wie Familie, Krankheit, Aufstieg oder Tod stand. Die Kirche verdammte diese Wissenschaft aufs Schärfste, doch alle Menschen, selbst Päpste, Könige, Fürsten und Gelehrte, fragten begierig nach Hinweisen auf ihre Zukunft.
„Ich würde ihn gern einmal mit eigenen Augen sehen, diesen furchtbaren Herrn“, fuhr die Gräfin fort und strich sich eine Locke aus der Stirn. „Die Stiche, die ich von ihm gesehen habe, zeigen einen schönen Mann mit vollen Lippen und entschlossenem Blick.“
„Dann kommt mit aufs Feld und kämpft mit Eurem Gäbelchen für uns“, fiel Christian ein, dem die letzten Worte seiner Frau nicht entgangen waren. „Vielleicht“, spottete er, „findet dieser Glücksritter Gefallen an Euch, und ich kann Euch gegen Tausend Soldaten oder einen Schwung frischer Pferde eintauschen.“
„Sir“, fiel Buchwald ihm beschwichtigend ins Wort. Er sah die Reaktion der Gräfin voraus und wusste, dass auch der kleinste Funke Ironie ein Feuerwerk zünden konnte. „Majestät sollten wirklich nicht …“
Doch es war zu spät. Kirsten Munk schleuderte ihrem Mann einen zornigen Blick entgegen, dann sprang sie auf und verließ den Saal. Die Türen knallten, bevor Wiebke oder Johanna ihr folgen konnten.
Oh, sie konnte hassen. Sie konnte sich suhlen in diesem schwarzen, abgründigen Gefühl, das wie eine Welle über ihr zusammenschlug. Wie konnte Christian sie vor seinen Männern derart lächerlich machen? Sie war seine Frau, auch wenn sie alles dafür tat, nicht daran denken zu müssen. Kirsten warf sich
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