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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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ließen ihnen einen winzigen Vorteil. Sie hatten beschlossen, ihre zwanzig Geschütze so zu postieren, dass sie die Straße befeuern konnten. Dann verteilten sie den größten Teil der Schützen unter den Bäumen und Hecken, zwischen denen die Feinde vordringen mussten.
    „An Reitern sind wir ihnen überlegen“, sagte Fuchs, der seinen dunklen Wallach eng neben Christians Berber führte und über die Hügel blickte, die wie Walbuckel vor ihnen auftauchten. „Aber das Fußvolk macht mir Sorge. Es sind zu wenige Männer, und wenn die Soldaten durch die Wucht des Angriffs in Panik geraten, sind wir geschlagen.“
    „Ich weiß, ich weiß“, murmelte Christian, der ähnliche Befürchtungen hatte. „Wir müssen auf die Reiter setzen, das ist unsere einzige Chance. Möge Gott uns gnädig sein.“
    Dann gab er seinem Pferd die Sporen, ritt noch einmal die Linien ab, feuerte die Männer an, gab ihnen Kraft durch seinen strahlenden Auftritt mitten unter ihnen. Ein stolzer Krieger auf seinem prachtvollen Hengst. Wild wie Odin, der Kriegsgott ihrer Ahnen, galoppierte er durch die Reihen und entriss jeder Kehle einen heiseren Schrei.
    Auch von der Gegenseite hörte er die Schreie aus Tausenden Soldatenhälsen – schrecklicher als Wolfsgeheul. Schauer jagten ihm über den Rücken. Er stellte sich vor, wie Tilly seine Männer gruppierte, liebevoll über die Kanonen strich, den Namen der Jungfrau Maria auf den Lippen, begierig, den Feind zu stellen. Alles Protestantische in die Hölle zurückzujagen.
    Seine Späher hatten ihm berichtet, dass der kaiserliche General seine Männer nach der Spanischen Schlachtordnung aufgestellt hatte – in mehreren, schachbrettartig versetzten Haufen.
    „Seine Terzios starren vor Waffen“, meldeten sie. „Sie sind bis zu zwanzig Reihen tief, und in ihrem Inneren stehen die Pikeniere mit ihren Lanzen.“
    „Wo stehen die Reiter?“, hatte Christian wissen wollen.
    „Sie bilden die Flügel.“
    Christian wusste, dass Tilly in der Schlacht die Taktik der Salve anwenden würde. Jede erste Reihe der Schützen feuerte gleichzeitig, um sich danach zum Laden zurückzuziehen und der nächsten Reihe Platz zu machen.
    „Und die Kanonen?“ Vor seinen Augen setzte sich das Bild der gegnerischen Aufstellung zusammen.
    „Sie haben den Großteil der Geschütze vor der Front aufgestellt. Wo die Zeit gereicht hat, sind sie sogar eingegraben. Der Feldherr und sein Stab halten sich wohl innerhalb der Schlachtordnung auf. Die Obristen sind vor ihren Regimentern aufgesessen, alle Offiziere stehen vor ihren Einheiten.“
    Das Procedere der Schlacht, die vor ihnen lag, würde wenig überraschend sein, dafür aber umso effektiver: Die Seite galt als siegreich, der es gelang, mit ihren vordrängenden Terzios die gegnerische Schlachtordnung einzudrücken, zu durchbrechen und den Gegner zu überrennen. Dann waren die gegnerischen, unbeweglichen Geschütze verloren und fielen in Feindeshand. Für gewöhnlich dauerte ein Gefecht nicht allzu lange. Doch Christian ahnte, dass an diesem Tag alles anders sein würde. Zu viel stand für beide Seiten auf dem Spiel.
    Bevor er das Signal zum Angriff gab, ließ er noch ein Gebet anstimmen. Ein letzter Moment der Ruhe kehrte ein, in dem er um ein gutes Kampflos bat, um Mut und Kraft für seine Söldner. Dann schmetterten die Trompeten ihre schauerliche Fanfare, bevor die ersten Kanonenschläge begannen, das Feld in ein Inferno zu verwandeln.
    Der Einschlag der Kugeln in die gegnerische Front lichtete die Reihen der Vorrückenden für einen Moment. Traf nur eine einzige Kanonenkugel in die gestaffelten Blöcke der Fußsoldaten, schlug sie eine entsetzliche Schneise. Die in Mannshöhe fliegende Kugel verletzte und tötete auf ihrer Bahn an die Hundert Soldaten auf einen Schlag. Zurück blieben zerfetzte Körper und Ströme von Blut, die sich mit dem sandigen Boden zu einer klebrigen Masse verbanden. Schnell waren auch die Kämpfenden von einer dunkelroten Kruste überzogen. Ein zähes Gewand aus dem Blut der Gefallenen, das ihnen den süßlichen Geruch des Todes in die Nase trieb.
    Tillys Männer reagierten schnell. Kanonenschlag auf Kanonenschlag strich über das Feld, dazu die Salven der Musketen. Wolken aus Pulverdampf legten sich über die Soldaten. Von einem fernen Hügel aus betrachtet, bot sich ein schrecklich-schönes Spektakel: Die Erde schien sich aufzutun und in einem Gemisch aus Feuer und Rauch Pferde und Männer zu verschlingen. Jeder Angriffsstoß war von

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