Das Königsmal
Tochter mit der flachen Hand ins Gesicht.
„Du Hure“, sagte sie kalt. „Du bist nicht mehr meine Tochter.“
Dann geschah alles sehr schnell. Kirsten taumelte, ein Krampf schüttelte ihren Körper. Sie schrie auf, dann sackte sie bewusstlos zu Boden. Wiebke stürzte zu ihr, doch schon war die Gräfin mit dem Hinterkopf auf der scharfen Kante einer Truhe aufgeschlagen. Blut sickerte aus einer Platzwunde und färbte ihr Haar rot.
„Ein Tuch, schnell“, schrie Wiebke der erstarrten Ellen Marsvin zu. Als diese nicht reagierte, riss sie sich ihr Brusttuch von den Schultern und drückte den Stoff auf die Wunde. Die Gräfin stöhnte leise auf. Wir können sie nicht auf dem kalten Boden liegen lassen, dachte Wiebke. Sie wandte sich an die Gutsherrin, die noch immer apathisch neben ihnen stand.
„Helft mir, Eure Tochter in ihr Bett zu bringen. Wir müssen ihre Beine hochlegen, sonst verliert sie auch noch das Kind. Ruft Johanna, damit sie mit anfasst.“
Endlich riss sich Ellen Marsvin aus ihrer Erstarrung und holte die Hofdame. Zu dritt gelang es ihnen, die stöhnende Gräfin in ihr Zimmer zu bringen. Johanna stellte keine Fragen. Sie hatte den Tumult gehört und konnte sich denken, was geschehen war. Schnell brachte sie saubere Tücher und wusch Kirstens Wunde mit Essigwasser aus, bevor sie sie verband. Wiebke schob Kissen unter die nackten, eiskalten Füße der Gräfin. Dann tastete sie ihren Bauch ab, bevor sie Kirsten in warme Decken hüllte.
Ellen Marsvin hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und ihnen schweigend zugesehen. Jetzt schaute sie Wiebke fragend an.
„Ich denke, sie wird das Kind behalten“, antwortete sie. „Ich kann keine weiteren Krämpfe spüren. Aber die Gräfin sollte die nächsten Tage im Bett bleiben.“
„Was gerade passiert ist, muss unter uns bleiben“, flüsterte die Gutsherrin mit heiserer Stimme. „Kein Wort davon zum König. Kein Wort zur Dienerschaft. Dieses Kind hat es nie gegeben. Ich weiß, ich kann mich auf euch verlassen. Sobald es der Gräfin besser geht, werde ich sie auf mein Gut im Norden bringen. Dort wird das Balg zur Welt kommen und erzogen werden. Und jetzt lasst mich mit der Gräfin allein.“
Als Wiebke die Tür hinter sich geschlossen hatte, seufzte Johanna auf. „Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde“, sagte sie. „Sie hat zu lange mit dem Teufel getanzt, jetzt kommt er, ihre Seele zu holen.“
Wiebke antwortete nicht, doch sie ahnte, dass der Tanz noch lange nicht beendet war. Es ist nur eine kleine Pause, dachte sie. Der Teufel hat noch nicht genug getanzt. Dann ging sie in die Kammer, um das Durcheinander aufzuräumen und die Kleidertruhen wieder zu schließen.
Sie waren bei Stralsund an Land gegangen. Die Geheimverhandlungen seines Gesandten von Tillmanns mit dem schwedischen König waren inzwischen so weit fortgeschritten, dass man miteinander sprechen wollte. Christian hatte auf eine persönliche Unterredung mit Gustav Adolf gedrängt, und nun warteten sie in den Dünen nahe der Stadt auf den Trupp der Schweden.
Der Ort war abgelegen, und im Schutz der morgendlichen Dämmerung konnten sie es wagen, miteinander zu verhandeln, ohne dass die Spione der Kaiserlichen davon erfuhren. Wind und Wellen verschluckten jedes Geräusch, das aus dem unauffälligen Offizierszelt nach draußen drang. Und wer die Männer in dieser Einöde zu Gesicht bekam, sah einfach gekleidete Gestalten in ledernem Wams und staubigen Stiefeln. Kein Prunk, kein Pomp, kein Zeremoniell. Unauffällige Gestalten, die sich in der Weite der öden Sandlandschaft verloren.
Christian stand vor dem Zelt und wartete auf den schwedischen Herrscher. Es hieß, er sei schon seit einigen Wochen inkognito an der Ostseeküste unterwegs. Gustav Adolf sammelte Verbündete für seinen Kampf gegen Polen. Spanisches Geld hatte den polnischen König Sigismund mit neuem Mut belebt, selbst der Kurfürst von Brandenburg war vom Kaiser unter Drohungen gezwungen worden, den Polen Hilfe zu senden. König Sigismund griff nach der schwedischen Krone.
Ungeduldig ging der dänische König vor dem Zelt auf und ab. Seine Stiefel versanken im feinen Dünensand, der feuchte Wind zerrte an seinen Haaren und schlug ihm kalt ins Gesicht. Unerbittlich rollten die Wasser der Ostsee an den Strand, fast böse schlugen die Wellen an das Ufer. Buchwald und Tillmanns hatten sich mit dem Rheingrafen in die Öffnung des hohen Zelts zurückgezogen und blickten angestrengt in das diffuse Dunkel. Sie warteten nun seit einer
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