Das Königsmal
der Aussicht auf Beute zu begeistern, die siegreiche Feldzüge ins Land brachten.
Im Grunde sehe ich einen Seeräuber vor mir, dachte Christian, denn Gustav Adolf hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, verkehrsreiche Häfen zu erobern, sie stark zu befestigen, um dann von dort die ein- und ausfahrenden Schiffe mit Zöllen zu belegen. So war es ihm auch im Kampf mit Polen und Russland gelungen, Karelien, Livland und die wichtigen preußischen Seeplätze Memel, Pillau und Elbing einzunehmen.
Jetzt stand der Monarch vor ihm, weniger groß, weniger imposant als noch vor wenigen Augenblicken auf dem Rappen. Christian bemerkte, dass Gustav Adolf die hellblauen Augen blinzelnd zusammenkniff, als ob er ihn nicht scharf sehen konnte. Er ist fehlsichtig, schoss es ihm durch den Kopf, und dieser kleine Makel erleichterte ihn ungemein.
„Majestät“, begrüßte er den Schweden und schritt ihm mit ausgestreckten Armen entgegen. „Willkommen, willkommen an diesem hoffnungsvollen Flecken Erde.“
Gustav Adolf schwieg, doch er nahm die ihm dargebotene Hand und neigte den Kopf. Es war ein Gruß von Gleich zu Gleich – mehr gespannte Neugier als Feindschaft schwang darin.
Christian atmete aus. Mit einer einladenden Geste geleitete er den Schweden in das Offizierszelt, wo heißer, gewürzter Wein und ein deftiges Frühstück auf die Männer warteten.
Gustav Adolf ließ sich einen Becher Wein reichen, den Schinken und Spießbraten beachtete er jedoch nicht, obwohl seine Vorliebe für kräftige Speisen bekannt war.
„Ich will keine Zeit verlieren“, drängte er die Männer, „Lasst uns beginnen.“
Christian ließ sich eine Karte der Ostseeküste geben und rollte sie auf dem Boden aus. „Hier und hier und dort stehen die Kaiserli- chen“, sagte er und zeigte auf Städte und Ortschaften entlang der Küste. Dann blickte er den Schwedenkönig auffordernd an. „Ich kann viertausend Mann ins Reich schicken, so viele Soldaten sind mir geblieben. Gemeinsam mit Euren Kräften kann es gelingen: Wir jagen die Papisten zum Teufel und befreien unsere Glaubensbrüder in Holstein und Mecklenburg.“
„Wer in des Herrn Namen streitet, kämpft mannhaft. Amen“, antwortete Gustav Adolf bedächtig. Er runzelte die Stirn und zeichnete mit dem Zeigefinger die Linien der Ostseeküste nach. „Ihr wisst, ich bin ein aufrichtiger Christ und die Rechte der Unsrigen liegen mir am Herzen.“ Fast theatralisch drückte er die geballte Faust auf sein Herz. „Doch ich halte nichts von halbgaren Plänen.“
„Was haben Eure Majestät dann in Deutschland zu schaffen?“, fiel Christian ihm erregt ins Wort. Was sollte das Geziere und Gezaudere, das so gar nicht zu dem Haudegen passen wollte, als der Gustav Adolf allerorten verehrt wurde.
„Ist es nötig, danach zu fragen?“, erkundigte sich dieser ärgerlich.
Für einen Moment schwiegen beide Männer, während sich im Hintergrund die Delegationsmitglieder besorgte Blicke zuwarfen. Sollten die Gespräche an der Eitelkeit der Männer scheitern?
Christian spürte die missbilligenden Blicke der eigenen Männer im Nacken. Er schluckte seinen Ärger hinunter und fragte betont ruhig: „Was also schlagt Ihr vor?“
Gustav Adolf nahm noch einen Schluck von dem gewürzten Wein, schloss die Augen und ließ den wärmenden Trank genüsslich die Kehle hinabrinnen. Dann stand er auf und stemmte die Arme in die Seiten.
„Meine Spione wussten mir zu berichten, dass die Pläne der Habsburger, in der Ostsee eine Flotte auszurüsten und gemeinsam mit den Hansestädten eine neue Handelsgesellschaft zu gründen, Form annehmen. Wallenstein hat Vorkehrungen zum Bau von mehr als zwanzig Kriegsschiffen für die Ostsee getroffen. Und er erwartet, dass Spanien die gleiche Anzahl senden wird.“ Er machte eine Pause und ging ein paar Schritte im Zelt auf und ab. „Von anderer Seite wurde mir zugetragen, dass sich der Gesundheitszustand des Generalissimus erheblich verschlechtert hat. Er soll von schrecklichen Gliederschmerzen gequält werden, die wohl auch seinen Wankelmut und sein unbeherrschtes Wesen erklären.“
Christian nickte, auch er hatte davon gehört. Man munkelte, die Gicht plage den Feldherren. Doch es gab auch Stimmen, welche die schrecklichen Entzündungen an den Beinen, die sich zu eiternden Geschwüren auswuchsen, der Französischen Krankheit zuschrieben. Die Leibärzte Stroperus und Wachtel jedenfalls sollten dem Verfall ihres Patienten hilflos gegenüberstehen. Sie verschrieben ihm stundenlange,
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