Das Königsmal
September, Majestät.“ Buchwald blickte ihn fragend an. „Sollen wir das Kommando zurückbefehlen?“
„Nein, nein. Alles gut, alles gut.“ Der zweite September, er dachte nach. „Ein guter Tag.“
„Majestät?“
„1192, der dritte Kreuzzug, erinnert Euch! An diesem Tag beendete ein Friedensschluss zwischen Sultan Saladin und Richard Löwenherz den dritten Kreuzzug. Das Königreich Jerusalem war gesichert.“ Christian lachte und fühlte sich an seine Kindheit erinnert. Er hatte die Geschichten der Kreuzfahrer verschlungen. „Lasst Wein bringen, dann werde ich zu den Männern sprechen!“
Johanna von Krabbe, erste Hofdame am Hof Christians IV.: Aus ihren geheimen Aufzeichnungen
Man sagt, wer genug Mut gehabt hat, um großes Unglück zu überstehen, ist gerüstet, weitere, schwere Schläge zu verschmerzen. König Christian hat das bewiesen. Er stürzte ins dunkelste Dunkel und verlor doch nie sein Wesen, seinen Mut und seine Liebe zu Dänemark.
Nachdem ihm die Niederlage bei Lutter einen so fürchterlichen Schlag versetzt hatte, wagte er einen zweiten Angriff auf Wallenstein, nahe Wolgast, am Morgen des zweiten September anno 1628. Ich sehe die Landschaft vor mir, Wasser und Sandhügel, eingebettet in Einsamkeit und den Nebeln der See. Kiefern wurzeln dort, deren weiche Nadeln die trockenen Ebenen bedecken.
Gestärkt durch die Kraft seiner Gedanken, durch Wein und den Optimismus seiner Männer, zog König Christian gegen die Kaiserlichen und kämpfte für seine Hoffnungen. Doch Wallenstein war bereit. Seine Spione hatten ihm längst berichtet, dass der König schwere Zechgelage in den Dünen hielt und bald etwas Unüberlegtes tun würde. „Kriecht er heraus aus den wässrigen Örtern“, hatte der Feldherr nach Wien geprahlt, „so ist er gewiss unser.“
Und er sollte Recht behalten: Der Angriff der königlichen Truppen endete in einem entsetzlichen Fiasko. Wallenstein wehrte die dänischen Streitkräfte in einer fürchterlichen Schlacht ab und metzelte alle nieder, die sich nicht ergaben oder flohen. Seiner Majestät blieb nicht mehr als das Leben. Er flüchtete auf seine Schiffe, setzte Segel nach Fünen und bat dort um Frieden.
Seine Ankunft auf Dalum war trostlos. Der König war nur noch ein Schatten seiner selbst. Gebeutelt vom verlorenen Krieg, zeichneten Tod und Leid seinen Körper. Seine Augen lagen in tiefen Höhlen. Er schien um Jahre gealtert, und aus Wut und Verzweiflung hatte er sich seine heilige Locke herausgerissen.
Eigentlich war er nur gekommen, um seine Frau und die Kinder zu holen. Die Friedensverhandlungen selbst wollte er von Kopenhagen aus führen. Es galt, das Reich neu zu ordnen, die Politik, die Finanzen. Der Krieg hatte König Christian acht Millionen Goldtaler und die Liebe seines Volkes gekostet.
Wir Frauen bereiteten uns darauf vor, Abschied zu nehmen – von der Insel, dem heiteren Leben, dem Paradies, das wir uns selbst geschaffen hatten. Der Einbruch des Todes und der Gewalt, die über uns kamen, machte alles zunichte. Hand in Hand warteten wir auf das Ende.
DER HASS
Dalum auf Fünen, Ende September anno 1628
Zorn brannte in ihm. Der Zorn des Versagens. Ein reißendes Feuer, das sich durch seinen Körper fraß, sein Herz quälte und in seinem Magen brannte. Manchmal glaubte er, nicht mehr atmen zu können. Dann musste er sich setzen und keuchend um Luft ringen. Die Angst bezwingen.
Christian hatte geglaubt, wenn er das Schlimmste annähme, wenn er sich einen verlorenen Krieg nur vorstellte – die Toten, die geplünderten und niedergebrannten Städte, die verwüsteten Ländereien, die Hoffnungslosigkeit, den Abscheu in den Augen der anderen –, könnte ihn das vor dem Entsetzlichen bewahren. Ein geheimer Pakt, den er mit einer höheren Macht geschlossen hatte – ein göttliches Einverständnis. Als ob der Herr in seine Seele blickte und ihn dann aus aller Verzweiflung rettete. „Du hast die Hölle durchschritten“, würde er zu ihm sagen. „Komm zu mir, mein Sohn. Komm zu mir.“
Doch Gott blieb stumm und Christian fand keinen Trost – nirgends. Nach seiner Rückkehr auf die Insel hatte er sich davongeschlichen, sich nachts sein Pferd genommen, um an den Küsten entlangzureiten. Er war in jede auf seinem Weg liegende Kirche getreten und hatte Gott gesucht. Er hatte geweint und gebettelt, um ein Zeichen gefleht. Er hatte gedroht und dem Herrn geschmeichelt, doch die winzigen Feldkirchen mit ihren schlichten Altären, den staubigen Kreuzen und mageren
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