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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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Raum.
    Nachdem der König und das restliche Heer Fünen verlassen hatten, war der Gutshof inzwischen fast ausschließlich von Frauen bevölkert. Christian hatte eifrig auf der Insel werben lassen, und so waren auch die letzten Knechte und Stallburschen dem Ruf des Königs gefolgt, Dänemarks Herrlichkeit zu schützen.
    „Wer soll mir meine Ernte einbringen?“, hatte Ellen Marsvin ihn entsetzt gefragt, als sie unter den Soldaten ihre Männer entdeckte. „Das dürft Ihr nicht tun.“
    Doch der König hatte sich nicht umstimmen lassen. Nach einigem Zögern hatte er ihr einige Geistliche und Musiker aus seinem Zug dagelassen, die auf dem Schlachtfeld entbehrlich waren. Doch auch auf den Äckern hatten diese Gestalten wenig getaugt. Immer wieder hatten sie sich davongestohlen, um im Schatten Andachten zu halten oder Noten zu studieren. Und so war ein Großteil des Getreides in der Sommerhitze verdorrt, auch wenn alle Frauen mit angepackt hatten und die Gutsherrin selbst Garben gebunden hatte.
    Dennoch war der Sommer von Zuversicht erfüllt gewesen. Diese eine schlechte Ernte konnte Ellen Marsvin wohl verschmerzen, wenn sie der Preis für den ersehnten Frieden sein sollte. Und die Nachrichten versprachen tatsächlich eine Zeit der Morgenröte. Christians Briefe an die Herrin klangen hoffnungsvoll, und auch Wallensteins Rückzug vor Stralsund hatte sich schnell auf der Insel herumgesprochen.
    Auf Gut Dalum herrschte eine beinahe ausgelassene Stimmung. Die Frauen hatten sich in ihrem Alltag ohne helfende Männerhände gut eingerichtet. Sie arbeiteten hart, wofür ihre Herrin sie jedoch zu entschädigen wusste. So ließ sie immer wieder die Musiker im Garten unter den Obstbäumen Platz nehmen und spielen. „Wenn sie schon nicht arbeiten können, sollen sie uns doch erfreuen“, erklär- te sie. Und so wehten Violinenklänge und Flötentriller über das Gut, während die Mägde die Tiere versorgten, die Köchinnen melkten und die Zofen den Garten bestellten.
    Selbst Kirsten Munk schien versöhnt mit sich und ihrem Leben, auch wenn sie ihre Mutter weiter mit Nichtachtung strafte. Seit ihrer Rückkehr auf das Gut lebte sie zurückgezogen und verließ ihre Gemächer nur für einen Spaziergang oder kurzen Ausritt an die Küste. Der Rheingraf war aus ihrem Leben verbannt, und auch Christian schien in ihren Gedanken nicht präsent zu sein. Sie fragte nie nach ihm, erhielt andererseits auch von ihm keine Briefe oder andere Lebenszeichen.
    Merkwürdig, dachte Wiebke. Wie kann Liebe zu diesem sprachlosen Nichts zerfallen. Sie selbst dagegen besuchte den König in ihren Gedanken. Sie vermisste Christian, und seine Abwesenheit hinderte sie nicht daran, ihm einen Platz in ihrem Leben einzuräumen. Sie stellte sich Begegnungen vor, Worte, die zwischen ihnen gesprochen wurden, Gesten, Vertraulichkeiten. Sie wusste, dass sich seine Augen jedes Mal weiteten, wenn er sie sah. Dass sie ein Leuchten in ihnen entzünden konnte.
    Auch anderes stellte sie sich vor, Unaussprechliches. Eine Umarmung, das Zusammentreffen ihrer Körper, Wonne. Gerade jetzt, da sie benebelt von den heißen Marmeladenschwaden ihren Kopf verlor und sich treiben ließ. Ein Falter stieg aus einem Korb mit Beeren auf und setzte sich auf ihren Rock. Schwarz, mit orangefarbenem Saum und weißen Punkten an den Spitzen. Seine Flügel zeigten für einen Moment still seine Pracht, dann ließ das Aufschlagen der Küchentür Wiebke zusammenfahren. Schaukelnd zog der Falter weiter.
    „Wiebke, hörst du mich denn nicht?“ Die Gräfin platzte in die Küche. „Komm, komm, ich brauche dich.“
    Kirsten kam auf sie zu. Es gelang ihr, ihrer Mutter nicht in die Augen zu blicken, obwohl sie die Gutsherrin passieren musste und dabei streifte. Sie zog Wiebke an der Schulter zu sich und schob sie vor sich her zur Treppe. Aus den Augenwinkeln sah Wiebke, wie die Gutsherrin den Kopf schüttelte.
    „Du musst mir den Boden wischen. Schnell! In meinem Salon liegt der Staub von Jahrhunderten“, zeterte Kirsten, während sie Wiebke an der Hand die Treppe hinaufzog. Und wirklich, das Kleid der Gräfin, ihre Hände, ja selbst das Gesicht waren von schmutzigen Schlieren überzogen.
    „Mir sind ein paar Haarnadeln hinuntergefallen, und in diesem Haus hört ja niemand auf mein Rufen. Deshalb bin ich selbst auf den Knien herumgerutscht“, erklärte sie sich hastig auf Wiebkes fragenden Blick.
    „Die Mägde haben in den vergangenen Wochen hart gearbeitet, Madame“, versuchte Wiebke die

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