Das Königsmal
blitzende Funken durch den Raum und prasselten auf die Dielen.
„Zum Teufel!“, entfuhr es Kirsten. Sie bückte sich nach dem Anhänger, dann suchte sie nach den einzelnen Kettengliedern. Die Kette war in alle Richtungen gesprungen. Auf Knien rutschte sie über den Boden und fingerte in den Dielenritzen nach dem Gold. Mühsam sammelte sie ein Stück nach dem anderen in ihren Rock. Ihre Finger waren schwarz vor Schmutz und in ihrer Nase kitzelte der Staub. Ärgerlich richtete sie sich auf. Sie legte die Kettenteile vor sich aus. Hatte sie alles gefunden? Ja, die Länge schien zu stimmen. Kirsten zog den Beutel mit Gold unter ihrem Rock hervor und ließ alles hineingleiten. Sie würde später entscheiden, was mit dem Orden geschehen sollte.
Sie hustete und klopfte ihre Hände am Kleid ab. Schmutzige Streifen legten sich über den schimmernden Stoff. Ist das zu glauben, dachte sie. Jemand musste sich diesen Staub ansehen. „Das ist ein Acker, kein Salon“, murrte sie. Es konnte doch nicht sein, dass sie, die Gemahlin des Königs, in einem solchen Drecksloch lebte.
„Wiebke“, rief sie und öffnete die Tür. „Wiebke, bring Wasser und Seife. Wasch mir die Dielen aus!“
Als ihr niemand antwortete, schnaubte Kirsten und lief auf den Flur hinaus. Krachend schmetterte die Tür hinter ihr ins Schloss. Den winzigen Goldelefanten, der unter den intarsiengeschmückten Schrank gerollt war, sah sie nicht.
Verführerischer Duft zog durch die Küche des Gutshauses. Aromen von Beeren, Zucker und Gewürzen vermischten sich zu einer Komposition, die betörend in der Nase kitzelte. Wiebke schnupperte lächelnd und beugte sich über einen Kupferkessel, der über dem Feuer schwitzte. Gut gelaunt rührte sie in dem großen Topf und beschrieb Kreise mit dem hölzernen Löffel – nicht zu schnell und nicht zu langsam.
Ellen Marsvin kochte ihre köstlichen Marmeladen. Die Gutsherrin stand mitten in der Küche auf einem Stuhl und dirigierte die Schar aus Köchinnen, Mägden und Zofen, die sie alle zum Einkochen heranbefohlen hatte. Unmengen tropfender Früchte waren aus den Wäldern und Gärten geliefert worden und warteten in Körben auf ihre Verwandlung. Dazu Zuckerhüte, Nelken, Zimt und ein Fässchen mit Rotwein.
In Wiebkes Kessel sprudelten kiloweise Brombeeren munter in gezuckertem Wein. Johanna beaufsichtigte Hagebutten, die mit Nelken, Zimt, Zucker und etwas Essig eingelegt wurden. Dutzende kleinerer Gefäße waren bereits mit den heißen Säften gefüllt wor- den, um gut verschlossen in den Kellern des Hauses einzudicken. In einigen Wochen würden sie beim Öffnen ihr Wesen offenbaren und die Speisen um den Duft des Sommers bereichern.
Die Frauen plapperten über die Töpfe hinweg fröhlich vor sich hin. Auch Ellen Marsvin lächelte und gab zufrieden ihre Anweisungen. Ihre Augen zwinkerten, und ihre weiße Schürze, die sie sich stramm vor den Bauch gebunden hatte, war mit Saftspritzern befleckt. Immer wieder stieg sie von ihrem Stuhl herunter und probierte aus den Kesseln. „Schön, schön“, murmelte sie heiter.
Diese Düfte verführen zu guter Laune, dachte Wiebke. Als ob sie die Gedanken betören, alle Sorgen vertreiben und das Herz erleichtern würden. Die Gerüche ihrer Kindheit kamen ihr in den Sinn. Heu, silbrig-grün und süß. Pferdeschweiß, derb und doch nicht unangenehm. Der Duft ihres Vaters, ihrer Mutter, vertraut und einzigartig. Und der Apfelbaum im Garten, sein frischer Blütenregen. Wärme durchflutete sie, und lächelnd strich sie sich das Haar aus der Stirn.
Johanna drehte sich um. Für einen Moment suchten ihre Augen liebevoll Wiebkes Blick, dann trat sie neben sie und ließ sie einige Hagebutten kosten. Der süß-saure Geschmack prickelte auf der Zunge und zerfloss zu einem Hauch von Rosenaroma.
„Die Herrin hat ein Händchen für Köstlichkeiten“, sagte sie.
„Hmmm“, murmelte Wiebke. Sie tauchte ihren Löffel in den eigenen Kessel und ließ Johanna probieren. „Das ist noch besser.“
„Darf ich auch?“ Ellen Marsvin kam dazu.
Schnell schöpfte Wiebke einen weiteren Schluck aus dem Topf und reichte ihn der Gutsherrin.
„Sehr gut“, lobte die. „Gib noch einen Löffel Zimt dazu, dann wird der Sirup vollkommen sein.“ Sie lachte auf und rief laut in die Küche: „Meine Damen, meine Damen, was für ein Vergnügen. Das kann kein Mann uns bescheren.“ Die Köchinnen lachten auf und schwatzten weiter. Wohliges Glück und überschäumende Weiblichkeit füllten den
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