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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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Nachlässigkeiten zu entschuldigen. Tatsächlich war wegen der Ernte vieles im Haus liegen geblieben.
    „Ja, ja, ja. Wisch den Boden, schnell.“
    Wiebke seufzte und ging die Treppe wieder hinunter, um Bürsten und einen Eimer mit Seifenwasser zu holen. Im Salon knotete sie sich den Rock über den Knien und begann zu putzen. Madame hatte sich in den Garten verabschiedet, um dort ihren Stickereien nachzugehen. Aus dem Fenster heraus konnte sie sehen, dass sich die Gräfin in den Schatten des Apfelbaums gesetzt hatte. Dort stand eine schmiedeeiserne Bank, die Ellen Marsvin mit einigen Kissen zu einem einladenden Ort gestaltet hatte. Umgeben von Hecken und Blumenrabatten fühlte man sich wie von der Welt vergessen.
    Für einen Moment schloss Wiebke die Augen. Sie träumte und musste sich zwingen, weiterzuarbeiten. In weitem Schwung zog sie den Feudel über die Dielen, dann ging sie in die Knie und wischte unter dem großen Schrank, der an der Querseite des Raums stand. Sie wusste, dass Kirsten in ihm einige kostbare Silbersachen und ihren Schmuck aufbewahrte. Den Schlüssel trug sie an einer Kette unter ihrem Rock. Als Wiebke mit der Bürste unter dem Schrank an der Wand entlangfuhr, klimperte es. Vorsichtig fingerte sie nach dem kleinen Gegenstand, der sich dort verbarg. Etwas Goldenes leuchtete ihr entgegen. Sie streckte den Arm, bekam es zu fassen und zog es hervor. In ihrer Hand lag ein kleines, goldenes Tier. Ein Fabelwesen, mit langem Rüssel und säulenartigen Beinen. Ein Elefant, dachte Wiebke. Sie hatte diese Wesen schon auf einigen Abbildungen gesehen und auf einem der Wandteppiche im Zimmer des Königs. Bei der Krönung des Kaisers sollten einige dieser gewaltigen Tiere dem Festumzug gefolgt sein.
    Doch wo kam dieser Schmuck her, sie hatte ihn vorher noch nie gesehen. Kopfschüttelnd trat Wiebke mit dem Stück zum Fenster und hielt es ins Licht. Der Elefant war kunstvoll geschmiedet, jedes Detail seines Körpers sorgfältig geformt. Eine Öse auf seinem Rücken deutete darauf hin, dass das Tier Teil einer Kette oder eines Gürtels war. Hatte die Gräfin ihn verloren, oder lag er schon lange unter dem Schrank?
    Zuerst wollte Wiebke hinunter in den Garten laufen und der Gräfin ihren Fund zeigen. Doch als sie aus dem Fenster blickte, sah sie, dass Kirsten Munk in der tiefstehenden Abendsonne eingeschlafen war. Ihre Stickerei war ihr vom Schoß gerutscht und ins Gras gefallen. Im herbstlichen Licht, das durch die Blätter des Baums flutete, blitzte das silberne Garn wie Spinnweben auf.
    Wiebke zuckte mit den Schultern und dachte nach. Dann wickelte sie den Schmuck in ein Taschentuch und legte das Päckchen auf den Schrank, sodass keins der Kinder darankommen konnte. Sie wollte später mit ihrer Herrin sprechen.
    Das Zwielicht des Morgens überzog das Zelt von Osten mit blauem Licht. Christian schreckte hoch. War er doch eingeschlafen? Be- nommen richtete er sich auf und rieb sich die schmerzende Schulter. Etwas kratzte an der Zeltplane. Ein leises Geräusch, eigentlich war es nur der Hauch eines Geräusches. Verwirrt suchte der König nach seiner Ursache und unterdrückte mühsam die Enttäuschung, seine Träume nicht festhalten zu können. Nur Fetzen der Erinnerung: ein Garten, Wasser, das aus einem Brunnen sprudelte. Elfen. Oder waren es Engel?
    Warum hatte man ihn nicht geweckt? Seine Zunge war trocken, und er schmeckte den Wein des vorangegangenen Abends auf der Zunge. Bitter und pelzig, er spuckte aus.
    „Wache“, rief er. „Wache! Wie spät ist es?“
    Die Zeltplanen wurden zurückgeschlagen und Buchwald trat ein.
    „Es ist noch früh, Majestät. Sorgt Euch nicht. Die Sonne geht eben erst auf und die Männer halten sich bereit. Niemand hat geschlafen, das Heer ist hellwach.“
    Nachdem er langsam zu sich gekommen war, nahm er jetzt auch die Geräusche der Soldaten wahr. Er ließ sich aufhelfen. Buchwald legte ihm seinen Mantel um und reichte ihm die Stiefel. Als er aus dem Zelt heraustrat, flatterte ein Schmetterling auf. Schwarz, mit orangefarbenem Saum und weißen Punkten an den Spitzen.
    Christian stutzte. Dort fliegt mein Traum davon, dachte er. So flüchtig wie dieser Falter. So vergänglich. Plötzlich kroch Angst in ihm hoch. Gedanken an den Tod folgten. Sein Herz raste panisch, und er stolperte. Buchwald fing ihn auf.
    „Der Tod ist nicht das Letzte, Sir“, sagte er. „Die Männer sind bereit für das Gebet.“
    „Welcher Tag ist heute?“, fragte Christian verwirrt.
    „Der zweite

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