Das Kommando
es noch nicht gemerkt, Ben, aber in letzter Zeit zerfällt mein Kabinett buchstäblich. Die UNO verlangt lautstark die Entsendung von Inspektoren nach Hebron, und nach dem gestrigen Attentat in New York wird sie bestimmt eine entsprechende Resolution fassen.«
»Dann sag denen einfach, dass sie sich die in den Hintern stecken sollen…«
Goldberg ließ die Faust auf den Tisch donnern und schnitt ihm das Wort ab. »Das kann ich nicht«, schrie er ihn an, »weil ich dann nicht mehr Premierminister bin! Man wird mich lange vor dem Eintreffen des ersten Inspektors aus dem Amt vertrieben haben, und das habe ich dir zu verdanken!«
»Du übertreibst«, gab Freidman zurück und schüttelte angewidert den Kopf.
»Absolut nicht«, fuhr ihn Goldberg an. »Du hast mich mit deinem Übereifer in Hebron ganz übel hineingeritten.«
»Du bist der Letzte, der mir Übereifer vorwerfen darf. Schließlich hat man dich nur gewählt, weil das Volk jemanden haben wollte, der übereifrig ist.«
»Es gab keinen Grund, das ganze Stadtviertel in Schutt und Asche zu legen«, stieß Goldman hervor.
»O doch!«, schrie Freidman zurück. »Hast du etwa vergessen, wie es uns mit Falid Al-Din ergangen ist? Wir haben eine Rakete direkt auf seinen Wagen abgefeuert, und er ist ohne den kleinsten Kratzer davongekommen. Dieser Fehler sollte uns nicht noch einmal unterlaufen.«
»Und deshalb hast du gleich ein ganzes Stadtviertel in Trümmer gelegt.«
»Jawohl, das habe ich! Wir befinden uns im Krieg!« Mit einem Seufzer der Verzweiflung stieß Goldberg durch zusammengebissene Zähne hervor: »Das weiß ich selbst. Wir müssen aber auch anderes im Auge behalten.«
»Zum Beispiel?«
»Unsere Verbündeten.«
»Meinst du etwa die, die über Dresden und Tokio Brandbomben und über Hiroshima und Nagasaki Atombomben abgeworfen haben?« Vollständig von der Rechtmäßigkeit seiner Position überzeugt, sah Freidman den Premier offen an. Sie hatten diese Diskussion schon oft geführt und waren im Grunde einer Meinung. »Krieg ist widerlich, aber mitunter rettet man auf die Dauer gesehen mehr Leben dadurch, dass man brutaler vorgeht als der Gegner. Der Teufel soll die Völkergemeinschaft holen. Das Beste wäre es, sämtliche Palästinenser aus den besetzten Gebieten zu vertreiben und sie erst wieder zurückkehren zu lassen, wenn alle arabischen Staaten einen Friedensvertrag unterzeichnet haben.«
Der Premierminister schüttelte den Kopf. »Du weißt sehr wohl, dass das nicht geht. Für ein solches Vorgehen fehlt der politische Wille.«
»Warum versuchen wir nicht festzustellen, ob er doch da ist?«
Goldberg ärgerte sich, dass er sich so weit von dem Punkt hatte weglocken lassen, um den es ging. Wieder einmal hatte Freidman gezeigt, dass er vor nichts zurückschreckte, wenn es galt, seinen Willen durchzusetzen. Womöglich , ging es Goldberg durch den Kopf, bringt er es mit seiner Heimtücke sogar fertig, mich in eine Position zu drängen, in der ich keine andere Wahl habe, als loszuschlagen. Er sah Freidman durchdringend an und überlegte, wie weit er gehen würde, um seine Ziele zu erreichen. Mit Sicherheit sehr weit, das war ihm klar.
»Sieh mir in die Augen, und sag mir, welche Rolle du beim Tod des palästinensischen Botschafters gespielt hast.«
Ben Freidman zählte nicht zu den Menschen, die schnell beleidigt sind. Als hätte man ihn gefragt, was er zu Mittag gegessen hatte, gab er zurück: »Nicht die Allergeringste.«
Goldberg suchte nach einem Hinweis darauf, dass er log, begriff aber nach einer oder zwei Sekunden, dass dieser Versuch aussichtslos war. Er hatte schon viel zu oft miterlebt, wie dieser Mann log, und das mit einer solchen Seelenruhe, als wenn er die Wahrheit sagte.
»Hatte der Mossad bei Botschafter Alis Tod die Finger im Spiel?«
Freidman schüttelte den Kopf. »Schon möglich, dass ich verrückt bin, David, aber ich bin nicht dämlich. Warum sollte ich den Mann ausgerechnet in Amerika umbringen lassen?« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mir tut es nicht im Geringsten leid, dass er tot ist. Dieser als Diplomat verkleidete Dreigroschenhalunke hat sich fast jeden Monat in Ramallah aufgehalten. Falls ich seinen Tod gewünscht hätte, wäre das auf sehr viel einfachere Weise zu bewerkstelligen gewesen, die weit weniger Aufsehen erregt hätte.«
Diese Worte bewirkten bei Goldberg das genaue Gegenteil dessen, was Freidman erwartet hatte. Gerade das Argument, mit dem er sich verteidigte, lieferte dem Premier einen
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