Das Komplott der Senatoren (German Edition)
drückte er ihr zum Abschied einen her z haften Kuss auf die Wange, worauf sie sich plötzlich sehr schnell entfernte. Erst als er das Taxi bestieg, fiel ihm ein, dass sie kein Wort über das weitere Vorgehen verloren hatten.
Adams-Morgan, Washington DC
Jerry Glickman saß am Küchentisch in seiner Mansarde und biss mit Hochgenuss und schlechtem Gewissen in ein frisches Brötchen. Er kaute lange auf dem Bissen herum, bis sich das wunderbare Aroma voll entfaltete. Dieses Kunstwerk war etwas ganz anderes als der pampige Teig des Bäckers nebenan, aber es stammte nicht aus einer koscheren Backstube. Es kann nicht Gottes Wille sein, mich mit schlecht broit zu schtrofn, sagte er sich jedes Mal, wenn er der Versuchung nicht widerstehen konnte. Er spülte sein schlechtes Gewissen mit einem großzügigen Schluck Kaffee hinunter. Der Regen prasselte aufs Dach und ans Ma n sardenfenster, als möchte die Sintflut ein zweites Mal ausbrechen. Er wollte die Zeitung aufschlagen und griff ins Leere. Wo hatte er nur seinen Kopf? »Jerry, du wirst zusehends vergesslicher«, brummte er ungehalten und schlurfte zur Ablage beim Büchergestell, wo er die ›Post‹ am frühen Morgen hingelegt hatte. Daneben lag noch sein Fotoapparat, den er Sarah schon längst hätte bringen wollen, damit sie die Bilder der schönen Reise in den Süden au s druckte. Was hatte er noch alles vergessen? Dieser beunruhigende Gedanke war es wohl, der seinen Blick auf den Buchrücken der Orestie in der linken unteren Ecke des Bücher g estells lenkte, dort wo die griechischen Tragödien begannen, alphabetisch geordnet nach Autor. Aber nicht die Trilogie des Aischylos war es, die ihm ins Auge fiel, sondern der Umschlag, der neben dem Buch steckte.
» Oi, Vai!!«, rief er entsetzt. Angewidert packte er den Brief mit zwei Fingerspitzen und zog ihn langsam heraus, als fürchtete er, das Papier könnte zu Staub zerfallen. Er hatte das Bündel Papiere völlig vergessen, das er selbst vor den Ferien in diesen Umschlag mit der Adresse des Senators O’Sullivan gesteckt hatte. Er war ein alter Dummkopf. Tröstlich einzig, dass er sich wenigstens darüber ärgerte.
Zehn Minuten später klingelte das Telefon auf Marions Schreibtisch.
»Ein Mr. Glickman ist am Apparat«, sagte die Telefonistin. »Es geht um Senator O’Sullivan. Soll ich ...«
»Stellen Sie durch!«, rief sie aus. Der Name versetzte sie in helle Aufregung. Mr. Glickman schien nicht weniger erregt zu sein, als er sie außer Atem, mit fast weine r licher Stimme a n fuhr:
»Bin ich hier endlich richtig? Hören Sie, ich habe keine Zeit, ich muss gleich los zur Arbeit.«
»Wenn es um den verstorbenen Senator O’Sullivan geht, sind Sie hier richtig. Wie verwalten seinen Nachlass.«
»Gott sei dank, ich dachte schon, ich sei meschugge, junge Dame. Jeder schickt mich zum nächsten, niemand will zuständig sein. Was kann ich denn dafür, dass der Sen a tor a toyter mensh ist?«
Sie hörte sich schmunzelnd an, was er zu sagen hatte, doch als er die Papiere e r wähnte, hielt es sie nicht länger auf dem Sessel. Sie sprang auf, versuchte im Stillen langsam bis fünf zu zählen und gab sich alle Mühe, ihre Frage sachlich ruhig zu ste l len, obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug.
»Was sind das für Papiere, Mr. Glickman?«
»Ich vais nit, habe sie nicht gelesen. Es sieht aus wie ein Brief und ein paar Kopien, Geschäftskorrespondenz eben. Eine Firma aus Chicago, wenn ich mich recht eri n nere, soll ich nachsehen?« Ihre Stimme versagte. Erst das zweite »Bitte« vermochte sie deutlich hörbar auszusprechen. Es raschelte im Hörer, dann sprach er das magische Wort aus:
»Mamot heißt die Firma. Mamot SA aus Chicago.« Ihr Puls raste. Nur mit Mühe unterdrückte sie einen Freudenschrei. Eine direkte Verbindung von Mamot zum Senator, das konnte kein harmloser Zufall sein. In ihrem Kopf schrillten jetzt sä m tliche Alarmglocken. Mr. Glickman am anderen Ende der Leitung wurde wieder unruhig. Er räusperte sich und drängte:
»Hören Sie, ich bin spät dran. Soll ich die Sachen an Ihre Adresse schicken?«
»Nein!«, rief sie erschrocken. »Nicht schicken. Ich hole die Papiere sofort bei Ihnen ab.«
»Das geht nicht, ich muss weg. Bin schon zu spät.« Sie trommelte verzweifelt auf die Tischplatte. Sie musste die Papiere haben, jetzt, sofort.
»Mr. Glickman, bitte, es sind äußerst wichtige Dokumente.« Es war eine Weile still in der
Weitere Kostenlose Bücher