Das Komplott der Senatoren (German Edition)
schaute den vorbeiziehenden Wolken durch das Bullauge zu und übe r legte sich die nächsten Schritte. Das gleichmäßige Stampfen und Brummen der Maschinen schläferte ihn allmählich ein. Er schloss die Augen.
Als er erwachte, war es stockdunkel in der Kabine. Erschrocken schaute er auf das Display seines Telefons. Halb zwölf Uhr nachts, Kochi Time. Er war jetzt mehr als vierundzwanzig Stunden auf diesem elenden Frachter.
Sein knurrender Magen ließ ihm keine Wahl: es war Zeit für seine nächtliche En t deckung s reise. Geräuschlos und zielsicher wie eine Schiffsratte arbeitete er sich nach oben. Er nahm an, dass sich Küche und Aufenthaltsräume in der Nähe der Brücke befinden mussten. Mehr als einmal zog er sich in dunkle Nischen zurück, weil er glaubte, Schritte oder Stimmen zu hören. Acht Treppen lagen hinter ihm. Wenn er sich nicht irrte, befand er sich jetzt auf Deck fünf, ein Stockwerk unter der Brücke. Er huschte an einer offenen Tür vorbei. Der Raum dahinter war dunkel, aber er blieb wie elektrisiert stehen, als er die leuchtenden Armaturen bemerkte. Kurz entschlossen glitt er hinein. Sein Puls beschleunigte sich, als er den Computer sah, der neben der Funkanlage auf dem Tisch stand. Er bewegte die Maus ein wenig. Der Bildschirm erwachte zum Leben und präsentierte ihm das bekannte Bild des Webbrowsers. Er unterdrückte einen freudigen Ausruf, denn es sah ganz danach aus, dass dieser PC mit dem Internet verbunden war, wohl über das Satellitentelefon des Schiffs. Über die Tastatur g e beugt, tippte er die Adresse seines Webmail-Dienstes ein, doch plötzlich zerriss ein lauter Summer die Stille der Nacht und ein rotes Licht begann aufgeregt zu blinken. Als hätte ihn eine Schlange gebissen, zuckte er zurück, hetzte aus dem Fun k raum, um die nächste Ecke, gerade rechtzeitig, dass ihn der herbeieilende Wacho f fizier nicht bemerkte. Das war knapp, aber er hatte jetzt das Tor zur Welt gesehen. Er wagte erst einen Blick in den Korridor, als er hörte, wie sich der Mann wieder en t fernte. Eine Tür am Ende des Flurs ging auf, ein Matrose trat mit einer Tasse in der Hand zum Offizier und wechselte ein paar Worte mit ihm. Lee wartete, bis die beiden verschwunden waren, dann huschte er zur verheißungsvollen Tür, horchte an g estrengt, atmete tief durch und öffnete sie schließlich. Vor ihm lag das Paradies, er stand in der Küche, allein unter auserlesenen Köstlichkeiten wie grasgrünen Äpfeln, ha r tem Käse und trockenem Brot. Eine dicke Thermoskanne mit warmem Tee stand auf der Anrichte. Gierig trank er eine Tasse um die andere, bevor er sich die Taschen mit Esswaren vollstopfte und vorsichtig wieder zur Tür hinaus schlüpfte.
Morgen. In seinem geistigen Logbuch machte er den betrüblichen Eintrag: 09:00, der dritte Tag! Küste gesehen. Immer noch keine Kommunikation. Kurs Nord. Wenn er nur wenigstens einen Blick auf das Navigationsgerät werfen könnte. Ein paar Mal war er versucht, die Brücke zu betreten und seine Tarnung auffliegen zu lassen, nur um endlich zu erfahren, wo sie sich, verdammt noch mal, eigentlich befanden. Zwei Tage nach Westen, jetzt ziemlich genau nach Norden. Er versuchte sich die Landkarte der Golfregion vorzustellen. Oft genug hatte er sie in den Nachrichten gesehen, aber nie wirklich hingeschaut. Ein paar Klicks auf seinen Handy-Bildschirm hätten genügt, um ihm genau zu zeigen, wo er war, aber ohne Ve r bindung ins Netz nützte ihm auch das GPS-Modul herzlich wenig. 21°34’21.05“N 37°54’34.41“E, wusste der Geier, welch gottverlassene Gegend das war, das Rote Meer? Er hatte die ersten sechzig Stunden in seinem seltsamen Gefängnis erstaunlich problemlos übe r lebt, umso mehr ärgerte ihn, tatenlos herumsitzen zu müssen. Höchst unzufrieden mit sich und der Welt tigerte er in der engen Kabine hin und her, schaute manchmal durchs Bullauge aufs immer gleiche Bild. Brillant blaues Wasser, strahlend blauer Himmel mit fernen Quellwolken und ein Horizont, dessen verschwommene Linie ebenso gut ein Küste n streifen sein konnte.
Wieder näherte er sich dem runden Fenster, als ihn der durchdringende Ton eines Schif f shorns erstarren ließ. Das Horn eines anderen Schiffs. Wie es sich gehörte, antwortete die Spassky mit ihrem Signal. Gleich danach schob sich ein gewaltiges Transportschiff in hu n dert oder zweihundert Metern Abstand langsam am Frachter vorbei. Es war nicht das erste Schiff, das ihnen begegnete, aber das erste der U.S. Navy. US,
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