Das Komplott der Senatoren (German Edition)
den blinden Passagier en t deckt. Sollte er aufgeben? Er hörte Männer aus dem Haus kommen. Sie schwärmten aus, und sie kannten ihr Schiff mit Sicherheit besser als er. Es konnte nicht lange gut gehen. Fieberhaft schaute er sich nach einem Ausweg um, wohl wissend, dass es keinen gab. Die Spassky war nicht sehr groß. Es würde nicht lange dauern, bis sie ihn erwischten.
Der Suezkanal war hier erstaunlich schmal. Ans Ufer schwimmen war durchaus eine Möglichkeit, aber das Deck befand sich zehn oder fünfzehn Meter über dem Wasser, keine sonderlich attraktive Aussicht. Die Männer suchten das Schiff systematisch ab, und sie kamen rasch näher. Auf der anderen Seite, backbord, sah er ein paar Fische r boote im Wasser, und plötzlich hatte er eine Idee. Er huschte geduckt zu den Kränen mit den Rettungsbooten. Er zerrte den versiegelten Schaltkasten auf und legte den Hebel um. Der Kran begann ausz u fahren und zerrte knarrend an der Takelage. Sofort ertönten aufgeregte Rufe. Fluchend eilten die Männer auf die Rettungsboote zu, während Lee auf der anderen Seite ungesehen über die Reling kletterte und sich auf den Buganker kauerte. Hastig ließ er sich am rostigen Metall in die Tiefe gleiten, bis er frei über dem Wasser hing. Er zögerte nur kurz, dann ließ er sich stocksteif fallen. Der Aufprall war kaum zu spüren. Sanft glitt er ins Wasser. Als er wieder auftauchte, war alles ruhig. Niemand schien ihn bemerkt zu haben. Mit wenigen kräftigen Zügen schwamm er zum nächsten Fischerboot, dessen zwei Insassen vor Schreck beinahe ins Wasser fielen, als er hinter ihnen auftauchte. Erst als sie ihn laut rufend und l a chend ins Boot hievten, wurden die Männer auf der Spassky auf ihn aufmerksam, aber es war zu spät. Die freundlichen Fischer ruderten ihn rasch vom Frachter weg, zurück nach Ismailia.
Valletta, Malta
Es war ein Gefühl, als kehrte er nach langer Odyssee in den Schoss der Familie zurück, als Lee seine Kollegin Kiera in der Ankunftshalle des Malta International Airport bei Valletta erblickte. Kiera Gilly war schon seine Kommilitonin an der Uni gewesen und leitete jetzt das zweite Pilotprojekt von Disruptive Technologies auf der Mittelmeerinsel. Erst erkannte er die junge Physikerin kaum wieder, so dramatisch hatte sich ihr Äußeres verwandelt. Als ewiges Mädchen vom Lande mit Zöpfen, Röcken und Pullovern, die nur braun sein durften, flachen Schuhen und einer al t modischen Brille, die ihre zierliche, kleine Gestalt zu erdrücken schien, so hatte er sie in Erinnerung. Man konnte sie sich damals sehr gut in der Enge eines verstau b ten Antiquariats vorstellen, keinesfalls in einem Hightech Labor.
Aber der Schein trog. Kiera war einer der brillantesten Köpfe, die er kannte. Nebe n bei hatte sie auch noch in theoretischer Physik abgeschlossen, mit einer Arbeit über Quanten-Chromodynamik, als müsste sie irgendwie die Zeit totschlagen. Dieses damals so unschei n bare Genie empfing ihn nun als strahlende Geschäftsfrau in weißer Bluse und weißem Jupe. Die Brille war verschwunden, die strengen Zöpfe hatten sich in einen lockeren Pfer d eschwanz verwandelt und die Füße steckten in zierlichen, roten Spangenschuhen, die sie mit Sicherheit fünf Zentimeter größer machten.
»Und darin kannst du laufen?«, war das Intelligenteste, was ihm zur Begrüßung ei n fiel.
»Charmant wie immer«, lachte sie. »Soll ich dir mit dem Gepäck helfen?«
»Sehr witzig.« Sein Reisegepäck bestand aus einer Plastiktüte mit den wenigen To i lettena r tikeln, die er auf dem Flughafen von Kairo gekauft hatte. Den Rest seiner neuen Ausrüstung trug er am Leib. Er drückte ihr lange die Hand und sein Gesicht wurde ernst, als er sagte: »Es tut gut, dich zu sehen, Kiera.«
»Du hast keine Ahnung, welche Sorgen wir uns gemacht haben«, murmelte sie. »Alles O. K. mit dir?« Er nickte lächelnd. Auf dem Weg zum Parkplatz begann er ihr die Geschichte seiner unfreiwilligen Reise zu erzählen.
Halsbrecherisch wie die Bewohner der Insel fuhr Kiera mit ihrem Vauxhall durch die karge, felsige Landschaft, überholte schnelle Oldtimer-Busse genauso wie störende Traktoren. Nur hie und da unterbrach eine Gruppe Pinien die trockene Einöde, sonst bestand alles auf dieser Insel aus Stein, die endlosen Trockenmauern ebenso wie die dicht gedrängten Häuser entlang der Strasse, die geradewegs aus dem gelben Kalk des Bodens zu wachsen schienen. Lee war zum ersten Mal auf Malta und beobachtete
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