Das Komplott der Senatoren (German Edition)
Worten lenkte er den Lastwagen auf einen freien Standplatz und schaltete den Motor auf Standgas. In dieser Bruthitze durfte die Klimaanlage keine Minute au s fallen.
Marion setzte die Sonnenbrille auf, kontrollierte das Gesicht im Rückspiegel und stieg aus. Ein wohlig kribbelndes Gefühl rieselte durch ihren Körper, als sie die Glieder streckte. Sie schlenderte zum Restaurant. Die Luft flimmerte über der langen Reihe geparkter Laster, leer laufende Motoren heulten wie ein mittlerer Orkan und stanken entsetzlich nach Abgasen. Truckerromantik. Angenehm kühl und trotz des lebhaften Stimmengewirrs geradezu ruhig erschien ihr das Innere des Triple-T. Es gab keinen freien Tisch im Restaurant, einem typischen Diner, ganz in den erdfa r benen Pastelltönen des Südens gehalten. Ihr Blick fiel auf zwei leere Plätze in einem Abteil in der Nähe des Ausgangs. Vier ältere Männer saßen vor leeren Tellern und schienen sich köstlich über das zu amüsieren, was der mit dem langen weißen Bart von sich gab. Ganz Weihnachtsmann im Freizeitlook, weißes T-Shirt, schwarzes Leder-Gilet, thronte er am Kopfende des Tischs, Wangen und Nase gerötet, und gri n ste bis über beide Ohren. Ein wenig Aufmunterung konnte sie durchaus vertragen, also steuerte sie kurzerhand auf die Männerrunde zu.
»Hallo Jungs, ist hier noch ein Platz frei?« Ein langhaariger Alt-Hippie antwortete mit einladender Handbewegung:
»Klar, Lady, wenn Sie sich trauen?«
»Hab’s mir lange überlegt«, stichelte sie ohne nachzudenken, was den Männern vergnügtes Gejohle entlockte. Sie goss sich ein Glas kaltes Wasser aus einem der Krüge ein, die hier offenbar auf jedem Tisch bereit standen und studierte die Speisekarte. Burgers, Tacos, Ench i ladas, Speck und Eier gab es zu jeder Tages- und Nachtzeit. Kein Wunder, bestand die Kundschaft doch aus Leuten, von denen pra k tisch jeder in seiner eigenen Zeitzone lebte. Sie entschied sich für eine harmlose Omelette und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem frö h lichen Quartett zu. Der Bärtige war richtig in Fahrt.
»Was ist der Unterschied zwischen einem toten Hund auf der Straße und einem toten Anwalt auf der Straße?« fragte er grinsend. Natürlich wusste keiner eine Antwort. »Vor dem Hund gibt es Bremsspuren.« Auch sie musste laut lachen, obwohl sie den Witz kannte. Einer A n wältin mit starker Neigung zum Zynismus waren viele ziemlich böse Sprüche bekannt. Als sich die Kollegen wieder beruhigt hatten, gab der Scher z keks noch einen zum Besten:
»Was ist der Unterschied zwischen einem Anwalt und einem Eimer voll Scheiße?«
»Der Eimer«, antwortete sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Diesmal dauerte das Gelächter noch länger. Der Bärtige japste vor Vergnügen, obwohl sie ihm die Pointe gestohlen hatte. Als müsste sie sich entschuldigen, fügte sie schließlich hinzu: »Ich muss es wissen, ich bin Anwältin.«
»Ach du liebe Zeit«, lachte einer mit Glatze, der allmählich etwas aus den Fugen geriet. »Herzliches Beileid, wir auch.« Erst jetzt verstand sie, warum ihr die Männer gleich am A n fang aufgefallen waren. Da saßen keine Trucker. Sie trugen die ledernen Hosen der Biker. Anwälte auf Selbsterfahrungstrip? Sie fragte sich, ob sie lachen oder weinen sollte, aber nach ein paar Minuten wusste sie das Wichtigste über die Herren, und sie hatten sie in ihre Runde aufgenommen. Jeff, der fröhliche Weihnachtsmann, Justin, der Hippie, Owen, die Glatze und Earl, der Stumme, jedenfalls war bisher nur Lachen, aber noch kein Wort über seine Lippen gekommen, waren pensionierte A n wälte aus Boston. Vogelfrei wären sie, versicherte der langhaarige Justin, und sie glaubte ihm aufs Wort. Nach einer ausgiebigen Tour durch Kal i fornien fuhren sie nun mit ihren Harleys wieder auf der I-10 zur Ostküste, pensionierte Easy Riders.
»Wenn man euch so sieht, könnte man glatt neidisch werden«, seufzte sie ein wenig we h mütig, worauf sich Owen sein Bäuchlein hielt und entgegnete:
»Das versuche ich mir auch jeden Morgen vor dem Spiegel einzureden, aber es hilft nicht wirklich.«
Plötzlich stutzte sie. Auf der Papierserviette, mit der sich Jeff den Mund abgewischt hatte, blieben dunkelrote Flecke zurück.
»Jeff, Sie bluten ja«, sagte sie besorgt. Überrascht stieß er einen halb unterdrückten Fluch aus, drückte sein Taschentuch an die Nase und entschuldigte sich. Die Kollegen blickten ihm beunruhigt nach, als er in Richtung der
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