Das Komplott (German Edition)
bringen, dafür sorgen, dass es, was den Tatort angeht, keine Unstimmigkeiten gibt. Wir müssen sicher sein, dass wir alle wichtigen Details haben.«
»Okay, okay. Aber kann ich zuerst frühstücken?«
»Sicher, Quinn, kein Problem. Wir haben den ganzen Tag.«
16
Einer der wenigen Vorteile des Gefängnislebens ist, dass man mit der Zeit sehr geduldig wird. Nichts geschieht in einem vernünftigen Tempo, und man lernt, nicht mehr auf die Uhr zu sehen. Der nächste Tag kommt früh genug, zuerst heißt es, den heutigen überleben. In den auf meinen Kurztrip nach Washington folgenden Tagen durchstreife ich Frostburg und rufe mir immer wieder ins Gedächtnis, dass Geduld nun zu meinen Tugenden zählt, dass das FBI bestimmt keine Zeit verschwenden wird und dass ich ohnehin keinen Einfluss darauf habe. Zu meiner großen Überraschung und Erleichterung überschlagen sich die Ereignisse geradezu.
Wie nicht anders zu erwarten, informiert mich das FBI nicht darüber, dass Quinn Rucker verhaftet wurde und gestanden hat. Das erfahre ich am Samstag, dem 19. März, aus der Washington Post: MORD AN BUNDESRICHTER – VERDÄCHTIGER VERHAFTET , heißt es auf der Titelseite unter dem Knick. Ein großes Schwarz-Weiß-Foto, ein Polizeibild von Quinn starrt mir ins Gesicht, als ich mich gleich nach dem Frühstück in die Kaffee-Ecke setze. Der Artikel enthält nur dürftige Fakten und ergeht sich vor allem in Vermutungen. Offenbar stammen die kärglichen Informationen vom FBI , das nur scheibchenweise damit herausrückt, daher bleibt der Bericht vage. Ein flüchtiger Verbrecher wird in Norfolk verhaftet, ein vorbestrafter Drogendealer, der seit Jahren in die organisierte Kriminalität im Großraum Washington verwickelt ist. Noch nicht einmal die Andeutung eines Motivs, kein Hinweis darauf, warum das FBI Quinn für den richtigen Mann hält, und nur eine flüchtige Erwähnung eines Ballistikgutachtens. Vor allem aber heißt es in dem Artikel: »Der Verdächtige verzichtete nach Belehrung auf sein Recht auf Aussageverweigerung und einen Anwalt, unterzog sich einem langwierigen Verhör und legte vor dem FBI ein auf Video aufgezeichnetes Geständnis ab.«
Ich habe Quinn Rucker vor zwei Jahren kennengelernt, bald nachdem er nach Frostburg verlegt worden war. Sobald er sich eingewöhnt hatte, kam er zu mir in die Bücherei und bat mich, sein Urteil zu überprüfen. Im Gefängnis lernt man, Freundschaften langsam und extrem vorsichtig anzugehen, weil die meisten Leute nicht sind, was sie vorgeben. Logischerweise wimmelt es nur so von Gangstern, Gaunern und Betrügern, und jeder ist sich selbst der Nächste. Bei Quinn lagen die Dinge anders. Ich mochte ihn auf Anhieb und bin kaum jemals einem so charismatischen und authentischen Menschen begegnet. Aber wenn seine Stimmung umschlug, zog er sich in sich selbst zurück. An diesen »dunklen Tagen«, wie er es nannte, konnte er übellaunig, unhöflich und schroff sein, und die Bereitschaft zur Gewalt lauerte dicht unter der Oberfläche. Dann aß er allein und sprach mit niemandem. Zwei Tage später erzählte er wieder Witze und forderte die gewieftesten Spieler zu einer Pokerpartie heraus. Er konnte laut und großsprecherisch sein, dann wieder still und verletzlich. Wie gesagt, in Frostburg gibt es keine Gewalt. Fast, aber auch nur fast wäre es zu einer Schlägerei gekommen, als ein Hinterwäldler, den wir »Skunk« – Stinktier – nannten, Quinn zu einem Faustkampf herausforderte, weil er mit dem Ausgang eines Spiels nicht zufrieden war. Skunk war mindestens zehn Zentimeter kleiner und fünfzehn Kilo leichter als Quinn, aber es kam nie zu einem Kampf. Quinn gab nach und steckte die Demütigung ein. Zwei Tage später zeigte er mir ein selbst gebasteltes Messer, eine Klinge, die er auf dem Schwarzmarkt erstanden hatte. Damit wollte er Skunk die Kehle durchschneiden.
Ich redete ihm das aus, wobei ich nicht überzeugt war, dass er es jemals ernst gemeint hatte. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und wurden Freunde. Er war davon überzeugt, dass ich uns beide mit einem juristischen Zaubertrick aus dem Gefängnis holen konnte, und wollte irgendeine Gesellschaft mit mir gründen. Er hatte das Familienunternehmen satt und wollte raus aus der Kriminalität. Draußen in der Freiheit wartete ein Schatz auf ihn, und auf dem saß Richter Fawcett.
Henry Bannister wartet im Besucherzimmer traurig auf einem Klappstuhl, während sich die junge Mutter neben ihm mit ihren drei Kindern herumstreitet. Der Raum
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