Das Komplott (German Edition)
wurde es allerdings sehr schnell, als ein Assistent ein großes Schwarz-Weiß-Foto von Quinn auf eine Leinwand warf. Endlich sah die Welt den Mann, der den Richter und seine Sekretärin auf dem Gewissen hatte. Schuldig!
Mumphrey, der sich, obwohl er von seinen Notizen ablas, immer wieder verhaspelte, schilderte Quinn Ruckers Hintergrund und vermittelte dabei den Eindruck, er wäre nur aus dem Gefängnis ausgebrochen, um sich am Richter zu rächen. Irgendwann runzelte Victor Westlake, der wie ein Wachposten an Mumphreys Schulter stand, die Stirn und warf einen Blick auf seine eigenen Notizen. Aber Mumphrey war nicht aufzuhalten, brabbelte den Tränen nah von seinem geliebten Freund und Mentor Raymond Fawcett und davon, wie viel ihm dieser bedeutet habe. Seine Stimme bebte tatsächlich ein wenig, als er zu erklären versuchte, welche Ehre es ihm sei, dafür zu sorgen, dass diese beiden »entsetzlichen« Morde nicht ungesühnt blieben. Es hätte etwa zwei Minuten gedauert, die gesamte Anklage zu verlesen und nach Hause zu gehen. Aber nein. Vor einem solchen Publikum und vor Millionen von Zuschauern hielt Mumphrey es für erforderlich, weit auszuholen und eine Rede über Gerechtigkeit und den Kampf gegen das Verbrechen zu halten. Nach verschiedenen mühsamen Abschweifungen kam er gegen Ende seines Vortrags, als es Zeit war, das Wort zu übergeben, wieder zum Thema. Er pries Victor Westlake und das gesamte FBI für seine Arbeit, eine Arbeit, die er als »übermenschlich, unermüdlich und brillant« bezeichnete.
Als er schließlich den Mund hielt, bedankte sich Westlake, wobei unklar blieb, ob dafür, dass Mumphrey endlich zum Schluss gekommen war, oder für die vielen Komplimente. Westlake besaß wesentlich mehr Erfahrung mit solchen Veranstaltungen als der junge Mumphrey und sprach fünf Minuten, ohne etwas zu sagen. Er dankte seinen Leuten, verlieh seiner Zuversicht Ausdruck, den Fall gelöst zu haben, und wünschte der Staatsanwaltschaft viel Erfolg. Als er fertig war, trat er einen Schritt zurück, woraufhin ein Journalist eine Frage brüllte.
»Kein Kommentar«, blaffte Westlake und wandte sich zum Gehen.
Mumphrey konnte sich jedoch nicht von den vielen Kameras trennen. Ein oder zwei Sekunden lang grinste er dämlich in die Menge, als müsste er noch einmal Flagge zeigen. Dann flüsterte Westlake ihm etwas zu.
»Danke«, sagte Mumphrey daraufhin und drehte sich um. Die Veranstaltung war vorbei.
Ich sehe mir die Pressekonferenz in meinem Zimmer im Best Western an. Mir kommt der Gedanke, dass Quinn vielleicht tatsächlich den Hauch einer Chance hat, falls Mumphrey die Anklage vertritt. Wenn es zur Verhandlung kommt, wird Mumphrey die Sache allerdings vermutlich einem seiner erfahrenen Untergebenen überlassen. Bestimmt präsentiert er sich weiter in den Medien und arbeitet an seiner Bewerbung um ein höheres Amt, aber die Verhandlungsführung an sich übernehmen die Profis. Je nachdem, wie lang sich die Sache hinzieht, ist er vielleicht gar nicht mehr im Amt. Seine Amtszeit dauert vier Jahre, genau wie die des Präsidenten. Wenn ein Herausforderer ins Weiße Haus einzieht, verlieren alle Bundesanwälte ihren Job.
Als die Pressekonferenz vorbei ist und die CNN-Sprecher losquasseln, schalte ich um, finde aber nichts Interessantes. Mit der Fernbedienung bewaffnet, besitze ich die uneingeschränkte Kontrolle über den Fernseher. Ich gewöhne mich erstaunlich schnell an die Freiheit. Ich kann schlafen, bis ich aufwache. Ich kann mir aussuchen, was ich anziehen will, auch wenn die Auswahl im Augenblick beschränkt ist. Vor allem aber habe ich keinen Zellengenossen, mit dem ich mich um ein drei mal vier Meter großes Kabuff streiten muss. Ich habe das Motelzimmer zweimal gemessen – es ist ungefähr fünf Meter breit und zehn Meter lang, das Bad eingeschlossen. Ein Palast.
Am Vormittag sind wir wieder unterwegs, diesmal geht es auf der Interstate 79 nach Süden. Drei Stunden später treffen wir am Flughafen von Charleston, West Virginia, ein, wo wir uns von Agent Chris Hanski verabschieden. Er wünscht mir alles Gute, und ich bedanke mich bei ihm für seine Unterstützung. Pat Surhoff und ich gehen an Bord eines Pendlerflugs nach Charlotte, North Carolina. Ich habe keine Papiere, aber der Marshals Service hat die Fluggesellschaft eingeweiht. Ich laufe einfach Pat Surhoff nach und bin zugegebenermaßen aufgeregt, als ich an Bord der kleinen Maschine gehe.
Der Flughafen von Charlotte ist groß, offen und modern, und
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