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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Internetcafé Ausschau. Das durfte in diesem Viertel kein Problem sein. Ich ging schnell, ich rannte fast. Ein paar Straßen weiter entdeckte ich schließlich einen kleinen Laden, vermutlich genau das, was ich suchte. Durch die Scheibe konnte man eine Reihe von Computern sehen und junge Leute mit Kopfhörern, die sich über die Bildschirme beugten. Ich überquerte die Straße und betrat das Internetcafé. Mein Blut rauschte immer stärker, und ich spürte, wie sich mein Magen verkrampfte.
    Ein junger Mann am Empfang erklärte mir, ich könne mir einen Computer aussuchen. Ich ging durch den matt beleuchteten Raum und setzte mich so weit wie möglich von der Straße entfernt vor einen Computer.
    Ich loggte mich ins Internet ein und fand mühelos das Forum, in dem wir das erste Mal Kontakt mit SpHiNx aufgenommen hatten. Ich gab das Passwort ein, um die Mailbox zu öffnen, die Agnès für uns eingerichtet hatte. Da sah ich ihre Nachricht. Mit zitternder Hand klickte ich auf das Symbol. Meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich.
    »Vigo … Ich würde es dir gern persönlich sagen, aber die Umstände erleichtern mir die Aufgabe nicht gerade … Du darfst unter keinen Umständen mehr dein Telefon benutzen …
    Vielleicht ist es im Grunde genommen sogar besser, ich teile es dir schriftlich mit. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft gehabt hätte, es dir auf andere Weise zu sagen. Ich glaube … ich glaube, ich werde dir nicht mehr helfen können. All das kommt im falschen Moment, im denkbar ungünstigsten. Es tut mir unendlich leid, dich im Stich zu lassen, aber es wird viel zu kompliziert. Luc hat mich wieder angerufen. Ich darf mich nicht selbst belügen. Ich muss die Dinge mit ihm klären. Er ist mein Mann … Ich weiß nicht mehr genau, wo ich stehe, wo wir stehen. Ich glaube, ich fahre ein paar Tage weg, ich nehme Urlaub und fahre zu ihm in die Schweiz. Ich will versuchen, alles zu regeln, wenn es noch möglich ist. Es tut mir bestimmt gut, alles hier ein bisschen hinter mir zu lassen. Ist vielleicht auch besser für uns beide …
    Ich hoffe, du bist mir nicht böse, sondern verstehst es. Ich mag dich sehr, Vigo. Sehr. Mehr als ich dir sagen konnte. Aber es ist nicht der richtige Zeitpunkt.
    Wenn doch nur …
    Ich kann verstehen, dass du die Wahrheit über deine Geschichte erfahren willst, und ich respektiere deine Wahl. Ja, ich bewundere dich. Du bist viel stärker, als du glaubst. Ich hoffe, dass du es schaffst, aber ich kann dir nicht mehr helfen.
    Ich verspreche dir, nichts zu sagen. Du kannst selbst entscheiden, ob du den Staatsanwalt informieren möchtest. Ich finde, du solltest es tun, aber schließlich ist es deine Entscheidung. Im Übrigen bist du so verdammt stur wie ein Esel, du erinnerst mich an meinen Vater.
    Meine Kollegen kümmern sich um meine Wohnung. Die Kerle haben alles zerschlagen und meinen Rechner mitgenommen. Ich verstehe nicht, was sie darin finden wollen, außer der Mail von SpHiNx, aber das hat keine große Bedeutung. Wir haben es als Einbruch gemeldet … Ich schreibe dir aus meinem Büro …
    Sei so nett und versuche nicht, mir hinterherzufahren. Lass mir Zeit, lass uns Zeit.
    Es sei denn, es tritt ein Notfall ein.
    Alles Gute! Verzeih mir. Du wirst mir fehlen, sehr.
    Ich küsse dich.
    Agnès.
    PS: Ich habe im Restaurant von Jean-Michel ein Kuvert für dich hinterlegt. Frag ihn danach.«
    Ich blieb eine halbe Ewigkeit wie vom Donner gerührt auf meinem Stuhl sitzen, deprimiert und fassungslos. Ich sah Agnès' Gesicht vor mir. Dann sah ich sie ganz, sah, wie sie sich entfernte und langsam verschwand, ohne dass ich sie aufhalten konnte. Die Vorstellung, sie nicht mehr wiederzusehen, quälte mich. Ich fühlte mich in tausend Stücke gerissen.
    Da ich die Blicke der anderen Besucher des Internetcafés spürte, unterdrückte ich die Tränen. Ich vergrub die Hand in den Taschen und umfasste mein ausgeschaltetes Handy. Wie gern hätte ich sie angerufen, sie aufgehalten, ihr gesagt, dass sie das Beste war, was mir in meinem ganzen Erwachsenenleben begegnet war, und dass ich sie nicht verlieren wollte. Doch ich musste mich der Wirklichkeit stellen: Sie hatte recht, vielleicht war es besser so. Ich konnte ihr mein augenblickliches Leben nicht zumuten und sie auch nicht davon abhalten, ihre Ehe zu retten. Ich musste ihre Entscheidung akzeptieren. Ich musste zurückstehen und mich damit abfinden.
    Mich damit abfinden, wieder mal. Schließlich konnte ich wieder den Kopf hängen lassen,

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