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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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neurologischen Probleme verantwortlich ist. Ich verstehe, dass Sie es erfahren wollen. Und die Wahrheit kommt früher oder später sowieso ans Licht. Aber ist es unbedingt nötig, dass …«
    »Wer ist es?«, fragte ich wieder und starrte Lucie an.
    Die junge Frau legte ihr Croissant vor sich hin und suchte in Louvels Blick nach einem Zeichen. Er zuckte die Schultern. Er wusste, dass ich mich nicht davon abbringen lassen würde.
    »Na gut«, sagte Lucie. »Ich hatte schnell herausgefunden, dass Laurens ein ganz gewöhnlicher Name ist. In Frankreich kommt dieser Name häufig vor, sogar Künstler, ja Politiker heißen so. Aber so heißt auch eine kleine Stadt im Hérault, Vigo. Als ich versuchte, alle Informationen in Bezug auf unseren Fall zu sondieren, bin ich auf die Biographie des Mannes gestoßen, der 1988 Leiter des Auslandsgeheimdienstes war.«
    »Und?«
    »Er wurde in Laurens geboren.«
    »Und wer war '88 Leiter des Auslandsgeheimdienstes?«, fragte ich und verschränkte die Arme über der Brust.
    Die junge Frau seufzte.
    »Ein ehemaliger Militärangehöriger, ein Offizier des Heeres, der in Algerien gedient, oder vielleicht sollte ich sagen gewütet, hat und der eine erste Neuordnung im Geheimdienst vorgenommen hat, bevor er eine glänzende politische Karriere machte.«
    »Wer ist es?«, wollte ich erneut wissen.
    »Jean-Jacques Farkas«, murmelte sie, »der Innenminister.«
    Die Bilder kamen mir sofort in den Sinn. Jede Menge Erinnerungen wie in einem Kaleidoskop. Die Wohnung meiner Eltern, das Sofa, der kleine Fernseher. Dann zerbrechlich und zitternd der Minister im Fernsehen, wie er nach dem Attentat vom 8. August Interviews gab. Jean-Jacques Farkas bestätigte heute Morgen, dass mehrere Al-Qaida-Mitglieder vor längerer Zeit in die Hauptstadt eingeschleust wurden und dass es ziemlich wahrscheinlich ist, dass sie die Drahtzieher der Terrorakte waren. Ich sah sein Gesicht vor mir, die Augen, die die Lüge kaum verhehlen konnten. Farkas. Die sechs Buchstaben erschienen überdeutlich vor meinem Auge. F-A-R-K-A-S. Und plötzlich hatte ich das Gefühl, dass in meinem Kopf eine Alarmglocke schrillte.
    Die Welt geriet ins Wanken. Sie schien schwerelos zu sein. Die Gesichter meiner drei Freunde verschwammen. Meine Hände, die sich am Tisch festgekrallt hatten, als wollten sie die Realität daran hindern zu fliehen, wurden durchsichtig. Mein Blick trübte sich, der Lärm der Welt verstummte und machte dem schrillen Klang einer fiktiven Sirene Platz.
    Doch kein Gedanke kristallisierte sich heraus. Kein Murmeln erhob sich aus dem Schatten. Es war keine gewöhnliche Krise. Es war eine Erinnerung, die sich gewaltsam durch die Windungen meines wirren Gehirns einen Weg bahnte. Eine Wahrheit, die zu einer Geschwulst geworden war. Eine Spur, die vom Staub der Verweigerung zugedeckt war. Ein schmerzliches Geständnis meiner Reminiszenz. Eine Tatsache. Ganz oben, am Ende des Tunnels, glühten diese sechs Buchstaben im grausamen Licht der Trivialität. FARKAS. Und selbst wenn ich nicht die geringste Erinnerung an ihn besaß, wusste ich insgeheim, dass er der verhasste Verantwortliche war, auf den mein Bedürfnis nach Gerechtigkeit schon seit langem wartete.
    Reynalds Satz wirbelte in meinem Trommelfell. »Transkranielle Augen, 88, die Zeit des zweiten Boten ist gekommen. Heute die Zauberlehrlinge im Turm, morgen unsere mörderischen Väter im Bauch, unter 6,3.« Und jetzt hatte jedes Wort seinen Sinn. Die transkraniellen Augen waren wir, die zwanzig Versuchskaninchen des Protokolls 88. Die Zauberlehrlinge waren sie, Doktor Guillaume und seine Armee von zweifelhaften Neurowissenschaftlern. Der mörderische Vater war er: Commandant Laurens alias Jean-Jacques Farkas. Wie eine Unterschrift unter einem Dokument.
    Plötzlich drängten sich mir die Dinge wie eine unausweichliche Notwendigkeit auf. Ich wurde Sklave eines Gefühls, das so vollkommen und mir so fremd war, dass es mein Fassungsvermögen überstieg. Es war, als ob mein Körper einer einzigen unkontrollierbaren Kraft unterworfen sei, die nur mehr reiner Wille war, ein tyrannisches Bedürfnis, das nur die Befriedigung desselben aufhalten konnte.
    Ich sprang auf, mit leerem Blick, bereits ganz weit von mir entfernt.
    Lucie zuckte zusammen. Damien bedachte mich mit einem bestürzten Blick. Badji richtete sich auf, zu allem bereit.
    Aber sie konnten nichts ausrichten.
    Kein Mensch, kein Argument, kein Grund der Welt konnten mich noch aufhalten, die Maschine anhalten.
    Ohne

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