Das kostbare Opfer
Mund.
Die Blonde beugte sich auf
Händen und Knien vor und blickte über den Rand des Bettes auf ihn hinab.
»Glauben Sie, daß ihm was fehlt?« fragte sie.
»Es geht ihm ausgezeichnet«,
versicherte ich ihr. »Was er jetzt mehr als alles andere braucht, ist Ruhe.«
Sie kicherte plötzlich. »Armer
Cal!« sagte sie. »Das ist mit das Scheußlichste, was einem Romeo passieren
kann.«
»Seid Ihr denn Julia?« fragte
ich, den Faden schnell weiterspinnend. »Sie haben mich im Büro angeschwindelt.
Sie erzählten mir, Eve Farnham sei das Schmuckstück in Cornishs Schlafzimmer.
Von sich haben Sie kein Wort gesagt.«
»Ich habe Ihnen nur erzählt,
daß ich für heute abend verabredet war«, bemerkte sie. »Ich glaube, ich könnte
jetzt was zu trinken vertragen. Warum gehen wir nicht und genehmigen uns
einen?«
»Ja, warum eigentlich nicht?«
wiederholte ich.
Sie glitt vom Bett, stellte
sich auf den danebenliegenden Teppich und streckte sich mit Genuß. Ich schloß
die Augen zwei Sekunden lang und beherrschte mich. Früher oder später würde
Cornish doch wieder aufwachen.
»Okay« sagte sie munter. »Jetzt
wollen wir mal was zu trinken holen.« Sie warf noch einen Blick auf Cornish.
»Sind Sie sicher, daß Daddy nichts fehlt?«
»Keine Spur«, sagte ich. »Im
Augenblick ist das Leben viel zu lebenswert für ihn, als daß er ans Sterben
dächte.«
»Wenn Sie meinen«, sagte die
Blonde gleichgültig.
Ich folgte ihr ins Wohnzimmer
und zu der Bar, die an der einen Wand stand. Sie setzte sich auf einen der
Hocker, schlug die Beine übereinander und sah zu, wie ich einschenkte. Die
Gläser klapperten, als ich sie auf die Bar stellte.
»Scotch auf Eis für mich,
Leutnant«, sagte die Blondine heiter. »Kann ich Sie denn nicht anders als nur
>Leutnant< nennen? Es klingt so albern, wenn ich Sie jetzt noch so
nenne.«
»Sie können Al zu mir sagen«,
schlug ich vor. »Und wie heißen Sie?«
»Candy«, sagte sie.
»Ihre Eltern müssen aber genau
gewußt haben, was sie taten, als sie Sie taufen ließen«, sagte ich.
Ich schenkte ein und sie hob
ihr Glas. »Trinken wir auf den guten alten Cal!« sagte sie. »Und ich meine alt,
wenn ich alt sage.«
»Trinken wir auf den Whisky des
guten alten Cal«, sagte ich. »Auf daß er mich nicht wegen Hausfriedensbruch
verklagt. Was bezweckten Sie eigentlich, als Sie mir sagten, es sei Eve
Farnham?«
»Ach, das war eben so eine
Sache«, sagte sie lässig.
»Was für eine Sache?«
»Sie wissen doch, wie das ist,
Al. Er schien eine Menge Zeit in ihrem Büro zu verbringen, und ich begann, mich
zu fragen, ob das nur geschäftliche Gründe hatte. Ich dachte mir, vielleicht
hat er vor, mir den Laufpaß zu geben, und schon der bloße Gedanke daran brachte
mich in Rage. Dann kamen Sie rein und wollten Eve Farnham sprechen.«
Ich trank einen Schluck und sah
sie an. »Das soll einer verstehen?«
Sie machte ein leicht
überraschtes Gesicht. »Begreifen Sie denn nicht, was ich meine, Al? Zu diesem
Zeitpunkt hielt ich es für eine sehr gute Idee, Ihnen zu sagen, daß die beiden so
miteinander standen. Sie waren Polizeibeamter, und wenn Eve Farnham in
Schwierigkeiten geriete, so dachte ich, würde es Cal nur recht geschehen, wenn
er mit hineingezogen würde!«
Ich begriff jetzt, was sie
meinte. Ich hatte meine Zeit an eine völlig falsche Spur verschwendet. Dann
erinnerte ich mich, wie sie auf dem Bett ausgesehen hatte, und revidierte meine
Ansicht über die verschwendete Zeit.
»Na schön, Candy«, sagte ich.
»Diesmal wollen wir noch keine Staatsaktion daraus machen.«
»Ich bin froh, daß Sie das
sagen, Al«, sagte sie mit voller Wärme. »Ich hoffte, daß wir Freunde werden
könnten. Wie lange wird es wohl dauern, bis Cal aufwacht?«
»Das kann jeden Augenblick
passieren.«
»Sind Sie sicher?« sagte sie
enttäuscht. »Bleiben Sie hier?«
Ich trank mein Glas schnell
aus. »Ich glaube nicht«, sagte ich. »Ich habe das Gefühl, Calvin würde das gar
nicht recht sein. Wenn er einen Tobsuchtsanfall bekommt, stecken Sie ihn in ein
>Aufrecht<-Mieder und rufen den Krankenwagen.«
»Er wird keinen Tobsuchtsanfall
bekommen«, sagte Candy zuversichtlich. »Ich werde ihn ablenken.«
»Kann ich mir vorstellen«,
sagte ich heiser.
Sie begleitete mich zur Tür.
»Es tut mir leid, daß ich Ihnen solche Unannehmlichkeiten verursacht habe, Al«,
sagte sie. »Aber vielleicht kann ich es wieder gutmachen. Wir wollen uns bald
treffen. Rufen Sie mich im Büro an.«
»Haben Sie einen Nerz?«
Weitere Kostenlose Bücher