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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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noch eine Weile stehen und beobachtete, wie Annalena hinter den Toren des Schlosses verschwand. Dann wandte er sich langsam um und strebte seiner Unterkunft zu. Marckwardt und Schultze waren gewiss noch unterwegs und versuchten, Informationen zu bekommen, doch wenn sie zurückkehrten, würde er mit dieser Neuigkeit trumpfen können.

    Nachdem sie der Kammerfrau mitgeteilt hatte, dass der Schneider ihren Auftrag baldmöglichst erledigen würde, ließ man sie Tücher und Spitzen sortieren, und immer wieder wurde sie beauftragt, etwas herzuholen oder wegzubringen. Als sie in einer kurzen Verschnaufpause aus dem Fenster blickte, sah sie Martha über den Hof eilen. Sie vermisste das fröhliche Gegacker der Mägde. Sogar der Küchenmeister fehlte ihr. Die Hofdamen unterhielten sich nur im Flüsterton, und immer dann, wenn sie ihnen nahe genug war, um etwas verstehen zu können, unterbrachen sie ihr Gespräch.
    Die Zofen, die eine nicht ganz so hohe Stellung wie die Hofdamen einnahmen, schienen nett zu sein, doch mussten sie sich, wie die Mägde auch, in Gegenwart der Herrin ruhig verhalten. Wie dienstbare Schatten sind wir, ging es Annalena durch den Sinn.
    Der Hof eines Fürsten oder Königs konnte ein tödliches Gewirr aus Intrigen sein, ein Ort, an dem die Damen Dolche an ihren Strumpfbändern trugen und Boshaftigkeit auf der Zunge. Es wurden Spötteleien ausgetauscht, doch gleichzeitig aufmerksam gelauscht. Jede der Damen, die schon länger hier waren, schien ein ausgezeichnetes Gespür für Machtverschiebungen zu haben, und wenn sie merkten, dass ein Gleichgewicht kippte, neigten sie sich gewiss der Seite zu, die mehr Gewicht hatte. Annalena war die gekünstelte Art vieler der Hofdamen bald zuwider.
    Ihr fiel ein, dass Fatime einst das Kammermädchen der Aurora von Königsmarck gewesen war. Wann hatten deren Damen wohl bemerkt, dass ihr Stern im Sinken begriffen war und August sich der Türkenprinzessin zuneigte? Wann hatten sie begonnen, Fatime zu umschmeicheln, und was würden sie tun, wenn eine neue Frau erschien, für die sich der Kurfürst interessierte?
    Wie Annalena feststellen musste, war das Leben einfacher Leute doch um einiges … nun ja, einfacher. Natürlich gab es auch unter ihresgleichen Neid und Missgunst, aber nicht annähernd so viel Falschheit wie hier. Doch ein Zurück gab es für sie nicht mehr. Der Kurfürst hatte sie an Fatimes Seite befohlen, und dort würde sie auch bleiben müssen. Wo sollte sie sonst auch hin? Wo sonst sollte sie warten, bis Johann wieder frei war?
    Plötzlich wurde sie aufgeregt, als ihr ein neuer Gedanke kam. Ob die Damen wohl erfahren würden, wenn es Neuigkeiten über einen Goldmacher gab? Es war zwar nicht gesagt, dass Annalena diese Nachrichten dann auch hören würde, aber vielleicht konnte sie etwas aufschnappen. Der leise Ton hier würde ihre Ohren bestimmt schärfen.
    Als der Abend heraufdämmerte und es Zeit wurde, das Essen einzunehmen, begannen die Frauen, Fatime umzukleiden. Sie selbst musste mit einem weichen Lappen die Juwelen polieren, die Fatime tragen wollte – natürlich unter der Aufsicht einer der Hofdamen, denn es war ja möglich, dass sie lange Finger machte. Während sie die herrlich funkelnden Steine vorsichtig abwischte, obwohl kein einziges Stäubchen darauf zu sehen war, blickte Annalena einige Male zu Fatime. So bemerkte sie, dass die Türkin sie beobachtete. Die Frauen hatten ihr inzwischen die fließenden Gewänder abgenommen und schnürten sie in ein steifes Korsett, in das sie Stäbe aus Holz einschoben. Noch immer sprach sie nicht, gab nicht einmal ein Kommando in einer fremden Sprache oder beklagte sich darüber, dass die Damen die Schnürung zu fest anzogen, und so begann Annalena zu glauben, dass sie vielleicht gar nicht sprechen konnte.
    Dass einem Menschen die Fähigkeit zu sprechen abhandenkam, kannte Annalena nur in Verbindung mit Taubheit. Dadurch, dass sie sich nicht hören konnten, erlernten diese Menschen auch das Sprechen nicht oder nur so unvollständig, dass sie niemand verstehen konnte. Doch Fatime konnte hören – und sie verstand alles. Sie lauschte den Gesprächen der Frauen, doch wenn sie überhaupt reagierte, dann höchstens mit einem Nicken, einem Kopfschütteln oder einem Lächeln. Konnte es sein, dass die Verschleppung aus ihrer Heimat sie so erschüttert hatte, dass sie nicht mehr sprechen konnte? Oder wollte? Doch wenn sie den Kurfürsten als ihren Feind ansah, hätte sie doch gewiss nicht eingewilligt, seine

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