Das Krähenweib
Mätresse zu werden.
»Du sollst nicht träumen, sondern polieren!«, schnarrte sie eine der Damen an und versetzte ihr einen so harten Stoß gegen die Schulter, dass ihr das Schmuckstück beinahe aus der Hand gefallen wäre. Sie konnte es gerade noch festhalten und musste sich beherrschen, die Frau nicht ihrerseits anzurempeln. Sie polierte weiter, bis sie ihr Spiegelbild in den Juwelen sehen konnte.
Endlich waren die Damen mit dem Ankleiden fertig. Als Annalena einen weiteren Blick auf Fatime warf, fand sie diese vollkommen verändert vor. Sie trug ein cremefarbenes Kleid, das mit viel Spitze und zahlreichen Perlen verziert war. Ihr Haar war kunstvoll aufgesteckt, eine lange Locke fiel über ihre Schulter. Sie war wunderschön, und Annalena war sich sicher, dass Martha die Türkin nie wieder mit ihr vergleichen würde, wenn sie Fatime so sehen könnte.
Im nächsten Augenblick nahm ihr eine der Damen die Juwelen aus der Hand, und die Frau, die sie bislang beaufsichtigt hatte, verschloss die Schatulle und reichte den Schlüssel der Kammerfrau. Die Damen begleiteten Fatime nun zu einem großen Spiegel, vor dem sie ihr den Schmuck anlegten und ihr Haar mit weiteren Juwelen schmückten. Die anderen Mägde hoben die am Boden liegenden Kleidungsstücke auf, falteten sie sorgsam zusammen und legten sie in die dafür vorgesehenen Truhen. Da man ihr nichts anderes aufgetragen hatte, tat Annalena es ihnen nach. Sie wechselte ein paar unsichere Blicke mit den Mädchen neben sich, und erntete hin und wieder ein aufmunterndes Lächeln.
Als Fatime schließlich fertig war, erinnerten nur die Farbe ihrer Haut und die Form ihrer Augen daran, dass sie nicht aus diesen Breiten stammte. Die Damen zogen in den Speisesaal, während die Mägde wie selbstverständlich zurückblieben. Später dann bekamen sie das, was von der Tafel übrig blieb – und das war eine Menge.
Nach dem Abendessen war der Dienst für die Mägde allerdings noch nicht vorbei. Man fand sich in geselliger Runde zusammen, wobei Annalena und die anderen dafür zuständig waren, die Damen mit Getränken und Naschereien zu versorgen und ihnen auf Wunsch auch Dinge zum Zeitvertreib zu holen.
Es war interessant zu beobachten, wie ein Wink der zarten Finger Fatimes den Damen ebenso viel galt wie ein Befehl. Keine von ihnen wollte es sich erlauben, bei der kurfürstlichen Mätresse in Ungnade zu fallen. Angesichts der weichen Züge und der verträumt dreinblickenden Augen war es schwer vorstellbar, dass die Türkin ihre Damen mit Wutausbrüchen quälte, doch es brauchte auch nicht mehr als eine sanft geäußerte Unmutsbekundung, damit der Kurfürst eine unliebsame Dame vom Hof entfernte.
Nach einem Tag in Fatimes Diensten fragte sich Annalena ernsthaft, ob sie nicht in der Küche besser aufgehoben gewesen war. Die Möglichkeiten, sich unbemerkt aus dem Schloss zu entfernen, waren durch ihre neue Anstellung noch kleiner geworden. Blieb nur die Hoffnung, dass die Damen darüber reden würden, wenn sie etwas über einen Goldmacher erfuhren. Gewiss würden sie sich neues Geschmeide erhoffen oder golddurchwirkte Kleider.
Das heutige Gespräch drehte sich allerdings um die Rückkehr des Kurfürsten aus Moritzburg. Man hatte seine Karosse auf den Schlosshof rollen hören, es war also ganz sicher, dass er wieder zurück war. Trotzdem hatte er sich den ganzen Tag über nicht in den Gemächern seiner Mätresse blicken lassen. Man rechnete allerdings damit, dass er in dieser Nacht kommen würde.
Die Damen sollten recht behalten. Gerade als man sich darüber zu unterhalten begann, welche Haarfarbe wohl die begehrteste bei Hofe sei, öffnete sich die Tür und herein trat der Kurfürst. Augenblicklich fielen die Damen in einen Hofknicks. Auch Fatime verneigte sich, was Annalena seltsam fand. Sie war für einen Moment dermaßen überrascht, dass sie darüber die eigene Respektsbezeugung für den Fürsten vergaß. Erst als die Kammerfrau sie mit einem bösen Blick bedachte, fiel ihr wieder ein, was sie zu tun hatte. Sie knickste ebenfalls, war in ihrer Eile aber so ungeschickt, dass sie schwankte und auf die Knie fiel. Ihr Schultertuch verrutschte ebenso wie ihre Haube, und auch ohne hochzuschauen, wusste sie, dass die feinen Damen spöttisch grinsten.
Der Kurfürst wurde natürlich sogleich auf sie aufmerksam. Nachdem er Fatime und die Damen höheren Ranges begrüßt hatte, wandte er sich ihr zu. Die anderen Mägde behielten den Blick gesenkt, doch Annalena konnte nicht anders,
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