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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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wartet sicher schon auf mich.« Die Frau in seinem Wagen erwähnte er nicht.
    »Ihr kennt die Regeln, Kaufmann«, gab der Wächter zurück, schloss die Luke aber nicht gleich, sondern blickte den Händler abwartend an.
    »Vielleicht könnte man eine Ausnahme machen.« Seraphim zog eine Goldmünze aus der Tasche. Die Augen des Wächters leuchteten auf.
    »Was ist mit meinem Kameraden? Der hätte gewiss auch Verwendung für solch ein Münzlein.«
    Seraphim zog eine zweite Münze aus dem Geldbeutel und reichte sie dem Wächter. Nachdem dieser die Echtheit durch Hineinbeißen überprüft hatte, murmelte er: »Also gut, ausnahmsweise. Lasst das aber nicht zur Gewohnheit werden.« Damit schloss er die Luke.
    Bange Erwartung erfüllte Seraphim. Wenn der Wächter das Gold einsteckte und ihn hier draußen stehenließ, gab es nichts, was er dagegen tun konnte. Das Geräusch eines Riegels, der beiseitegeschoben wurde, fegte seine Bedenken allerdings hinfort. Während er auf den Kutschbock kletterte, schwangen die Torflügel auf.
    »Habt vielen Dank!«, rief Seraphim den beiden Männern zu und trieb die Pferde an. Nachdem er das Tor passiert hatte, lenkte er seinen Wagen die gewundene Straße hinauf. An deren Ende befand sich das Schloss, das vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm umgebaut wurde und von dem man sagte, dass es seine Morgengabe für seine schöne holländische Gemahlin war. Seit Friedrich Wilhelms Tod gehörte es seinem Sohn, dem jungen König Friedrich I., der sich seit seiner Krönung allerdings nicht mehr sehr häufig hier aufhielt.
    Der Händler folgte der Straße bis zur Stadtmitte, wo sein Kontor lag. Sämtliche Fenster in der Nachbarschaft waren dunkel. In der Ferne konnte man das einsame Bellen eines Hundes vernehmen.
    Auf dem Kontorhof brachte Seraphim seine Pferde zum Stehen. Der Hufschlag musste seine Frau Maria von ihrem Lager aufgeschreckt haben, denn in einem der Fenster flammte plötzlich ein schwacher Lichtschein auf.
    Der Kaufmann stieg vom Kutschbock und warf einen Blick auf die Fremde. Sie war noch immer nicht zu sich gekommen. Er beugte sich über sie und hielt seine Wange dicht an ihren Mund. Ihr Atem zeugte davon, dass noch Leben in ihr war. Er hob sie vom Wagen und trug sie über den Hof.
    An der Tür trat ihm Maria entgegen. Sie war eine schlanke Frau mittleren Alters. Über ihrem Nachthemd trug sie ein Schultertuch gegen die Kälte. Ihr blondes Haar war unter einer Nachthaube verborgen.
    »Magnus …« Sie stockte, als sie die Frau in seinen Armen erblickte.
    »Maria, mach Feuer in der Küche«, rief er ihr zu. »Die Frau hier ist krank. Ich habe sie am Wegrand gefunden und denke, dass sie überfallen wurde.«
    »Und wenn es nun die Pest ist, die sie hat? Oder ein ansteckendes Fieber?« Auf Marias Gesicht legte sich ein besorgter und gleichzeitig ablehnender Zug. Sie war eine vorsichtige, manchmal sogar misstrauische Frau.
    »Mach dir keine Sorgen, Maria«, beschwichtigte Seraphim sie. »Geh ins Haus und sorge für Tücher. Wir sollten sie baden und ins Bett legen. Vielleicht kommt sie dann wieder zu sich und kann uns erzählen, was passiert ist.«
    Gehorsam wandte sich Maria um und verschwand im Haus. Seraphim folgte ihr.
    Das Feuer in der Esse loderte hoch, nachdem Maria ein paar Holzscheite hineingeworfen hatte. Dann eilte die Frau mit einem Holzeimer über den Hof, um Wasser aus ihrem Vorratsbottich zu holen.
    Seraphim trug die Fremde unterdessen zu der Wanne, in der sie für gewöhnlich ihre Wäsche wuschen. Nachdem er sie daneben abgelegt hatte, zog er sie bis aufs Hemd aus.
    »Wo hast du sie gefunden?«, fragte Maria, nachdem sie mit dem Wasser zurück war und die Wanne gefüllt hatte.
    »Am Wegrand. Sie hatte nichts bei sich, kein Bündel und auch sonst keinen Besitz. All ihre Habe scheinen diese Kleider zu sein.«
    »Und die sehen nicht so aus, als seien sie einen Überfall wert – es sei denn, sie hatte Gold in die Rocksäume genäht.«
    Seraphim schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Das Mädchen sieht so aus, als hätte es überhaupt noch niemals Gold in die Hand bekommen.«
    Als Maria der Wanne warmes Wasser aus dem Kessel über der Esse hinzugefügt hatte, hob Seraphim die Fremde behutsam hinein.
    »Haben wir noch Kräuter im Haus?«, fragte er dann.
    »Nicht mehr viel, aber ein wenig Kamille und Salbei habe ich gewiss noch«, antwortete Maria. »Und Holundersaft.«
    »Gut, hol alles her, für den Fall, dass wir es brauchen. Such ihr außerdem ein neues Hemd

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