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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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heraus und richte ein Bett. Wir behalten sie erst mal hier.«
    Maria schien das nicht recht zu sein, aber sie wusste, dass es keinen Zweck hatte, ihren Mann umstimmen zu wollen. Also machte sie sich an die Arbeit.
    Nach dem Bad war die Frau noch immer nicht erwacht, aber zumindest ihr Atem ging ruhiger. Maria hatte inzwischen Tücher geholt und auch eines von ihren alten Hemden lag bereit.
    »Zieh ihr das Hemd über«, wies der Händler seine Frau an und fasste die Bewusstlose unter den Armen. Als Maria das alte Hemd über ihren Rücken zog, schnappte sie erschrocken nach Luft.
    »Was ist?«, fragte Seraphim.
    Maria schlug die Hand vor den Mund und wich zurück.
    Seraphim blickte auf den Rücken der Fremden. Er war mit Narben übersät, so vielen, dass man sie gar nicht alle zählen konnte.
    »Das kann doch nicht von einem Überfall stammen!«, presste die Kaufmannsfrau hervor. »Sie ist gewiss wegen Hurerei oder Diebstahl ausgepeitscht worden!«
    »Das muss nicht sein«, entgegnete Seraphim, doch sein Verstand sagte ihm, dass sein Weib recht hatte. Trotzdem konnte er das nicht glauben. Wie diese Frau aussah, war sie gewiss keine Verbrecherin – und wenn sie gestohlen oder ihren Körper verkauft hatte, dann sicher aus Not. Er wusste selbst, dass man aus Not viele Dinge tat, die anderen, denen es zeitlebens gutgegangen war, verwerflich erschienen.
    »Maria«, sagte er ruhig. »Solange wir nicht wissen, wie sie zu diesen Narben gekommen ist, werden wir ihr helfen. Vielleicht wurde sie ja wirklich abgestraft, aber es ist auch möglich, dass sie vor einiger Zeit einen Unfall erlitten hat. Einen Sturz oder einen Brand vielleicht.«
    Maria sagte dazu nichts, sie blickte nur widerwillig auf die Narben, von denen einige noch deutlich rot hervortraten.
    »Zieh ihr das neue Hemd über, dir wird schon nichts dabei geschehen.« Seraphim versuchte eine scherzhafte Miene zu ziehen, die bei Maria jedoch nicht fruchtete. Sie folgte seiner Anweisung zwar, zog das Hemd aber mit spitzen Fingern über den Leib der Fremden.
    Kurz darauf schlug die Frau kurz die Augen auf, und Seraphim bemerkte, dass sie grau waren wie die Wolken an einem Wintertag.
    »Wo bin ich?«, fragte sie, als sie das Gesicht des Mannes sah. Ihre Stimme klang rauh und ihr Körper spannte sich, doch sie hatte nicht mal genug Kraft, sich selbständig aufzurichten.
    Ein erleichtertes Lächeln huschte über Seraphims Antlitz. »Ihr seid in meinem Haus, in Oranienburg. Mein Name ist Magnus Seraphim und ich bin Händler. Habt keine Furcht, wir werden uns um Euch kümmern.«

    Das Fieberdelirium hielt noch drei Tage an, dann klärte sich Annalenas Verstand und das brennende Gefühl in ihrem Inneren wurde von einer tiefgreifenden Schwäche abgelöst.
    Sie erinnerte sich daran, dass der Mann, der sie hier aufgenommen hatte, Seraphim hieß und sie erinnerte sich auch an den Geschmack der Tränke, die er ihr eingeflößt hatte. Holunder war dabei gewesen und ein Gemisch aus Kräutern, das auch ihre Mutter verwendet hatte, um ihre Kinder vom Fieber zu heilen.
    Fragen hatte er ihr nicht gestellt. Vermutlich aus Rücksicht auf ihren Zustand. Die wenigen Worte, die sie miteinander gewechselt hatten, handelten ausschließlich von ihrem Wohlbefinden.
    Nun, am Abend des sechsten Tages, war das Fieber verschwunden und sie fühlte sich wieder stark genug, um auf die Beine zu kommen. Vorsichtig erhob sie sich und setzte die Füße auf den Boden. Es erschien ihr, als könnte sie jede Unebenheit auf den Dielen spüren. Es war ein angenehmes Gefühl, denn es zeigte ihr, dass sie lebte.
    Im Raum unter ihrer Kammer klapperte die Hausherrin mit den Töpfen. Annalena hatte sie bislang nur dann zu Gesicht bekommen, wenn sie ihr das Essen brachte. Kein Wort hatte sie dabei mit ihr gewechselt. Annalena glaubte, den Grund zu kennen. Als sie ihr ein neues Hemd überzogen, hatten die Hausbewohner ihre Narben gesehen.
    Die Fragen nach deren Herkunft würden sicher schon bald folgen. Dieser Gedanke verursachte ihr Magenschmerzen. Alles in ihr schrie nach Flucht, doch sie wusste, dass es unmöglich war.
    Nachdem Annalena eine Weile auf der Kante des Bettkastens gesessen hatte, richtete sie sich auf. Für einen Moment fiel es ihr schwer, ihr Gleichgewicht zu finden. Auf wackligen Beinen trat sie schließlich ans Fenster. Von hier aus hatte sie einen guten Blick auf die Straße und auf den Kirchturm, der zwischen den Häusern in den Himmel ragte. Der Abend zog über Oranienburg herauf, schon bald

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