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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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fragte Annalena, nachdem sie die Tür hinter sich zugezogen hatte.
    Marlies öffnete den Mund, konnte aber nicht antworten, als ob der Mehlkloß in ihrer Kehle noch größer geworden war und ihre Stimme jetzt vollständig erstickte.
    Annalena setzte sich neben sie aufs Bett und legte ihr die Hand auf der Schulter.
    »Mein Blut ist nicht gekommen«, presste Marlies daraufhin hervor und wurde sogleich wieder von einem heftigen Schluchzen geschüttelt. »Jetzt schon das zweite Mal. Ich dachte erst, dass es nur einmal so sei, weil ich eine laufende Nase hatte, aber jetzt ist es wieder nicht gekommen. Und jeden Morgen ist mir so furchtbar schlecht. Frau Hildegard hat mich schon gefragt, ob ich ein Balg trage.«
    Annalena hielt den Atem an. Also hatte sie doch recht gehabt. Arme Marlies.
    »Und dabei habe ich schon getan, was das alte Kräuterweib an der Mauer mir geraten hat. Jeden Morgen habe ich einen Löffel Möhrensamen runtergewürgt und ihre stinkende Brühe getrunken, aber genützt hat es gar nichts!«
    Annalena kannte diesen Ratschlag auch, doch sie wusste auch, dass es nicht immer klappte. Bei manchen Frauen wirkte es, bei manchen nicht. Bei einigen trieben heiße Bäder und Pfefferminzsud die unliebsame Frucht aus, bei anderen krallte sich das entstehende Leben, egal was man tat, wie ein Blutegel an der Frau fest und ließ sie erst wieder los, wenn es reif war. Bei Marlies’ starker Natur nahm Annalena Letzteres an.
    »Von wem ist es?« Sie wusste nicht, ob es was nützen würde, aber vielleicht konnte sie Marlies dazu bringen, gegenüber Röber Ansprüche zu erheben. Sicher war Marlies nicht solch ein lockeres Mädchen, dass sie es mit jedem dahergelaufenen Kerl trieb.
    Die Magd brach erneut in Tränen aus, so heftig, dass Annalena nicht weiter nachhakte. »Du weißt doch noch gar nicht genau, ob du schwanger bist«, sagte sie stattdessen und strich Marlies beruhigend über den Rücken. Sie wusste selbst, dass dies nur eine Ausflucht war.
    »Und wann soll ich es genau wissen?«, fuhr Marlies sie an und schüttelte in hilflosem Zorn ihre Hand ab. »Wenn ich einen dicken Bauch kriege?«
    »Es gibt vielleicht ein anderes Mittel, um das herauszufinden.« Annalena rang mit sich. Marlies könnte sich wundern, woher sie dieses Wissen hatte. Doch in der Heilkunde bewandert zu sein, deutete nicht unweigerlich darauf hin, dass sie von Henkern abstammte oder eine Hexe war.
    »Und was für eines?« Auf dem Gesicht der Magd zeichnete sich ein schwacher Schimmer Hoffnung ab.
    »Reiß dir heute Abend vor dem Zubettgehen eine Zehe von Frau Hildegards Knoblauchzopf in der Küche ab. Die schiebst du dir in deine Öffnung.«
    Der hoffnungsvolle Schimmer verschwand wieder und wich dem Unglauben. »Was soll das denn bringen? Tötet es vielleicht die Frucht ab?«
    »Nein, das nicht, aber wenn du am Morgen Knoblauchluft ausatmest, bist du nicht schwanger. Eine Frucht würde verhindern, dass sich der Geruch ausbreitet.«
    »Also wenn ich morgen früh nach Knoblauch stinke, erwarte ich kein Kind?«
    »Das wollte ich damit sagen.«
    Marlies starrte nachdenklich auf ihre Füße. Sie schien abzuwägen, ob sie Annalenas Ratschlag befolgen sollte oder nicht.
    Der Test mit der Knoblauchzehe war der gängigste unter den Frauen und der ungefährlichste in Annalenas Augen. Während ihrer Zeit in Lübz hatte sie häufiger gehört, dass Frauen sie benutzt hatten. Und bisher hatte sich der Knoblauch nie geirrt.
    Doch musste Marlies es wirklich tun? Für Annalena war klar, wie das Ergebnis am Morgen aussehen würde. Zwei ausgebliebene Blutungen, Übelkeit und Ohnmacht, das konnte nur eines bedeuten.
    Eine ganze Weile saßen sie schweigend nebeneinander und Annalena fragte sich, wann Hildegard wohl wütend nach ihr schreien würde.
    »Wirst du es dem Vater sagen?«, fragte sie schließlich. Wahrscheinlich würde Marlies ihr darauf genauso wenig antworten wie auf die Frage nach seinem Namen.
    Zunächst tat Marlies dann auch, als hätte sie die Frage nicht gehört. Aber mit einem Seufzen antwortete sie irgendwann doch. »Er würde mich nie und nimmer heiraten, sondern eher davonjagen. Wenn ich wirklich ein Balg trage, dann kann ich es vielleicht noch einen oder zwei Monate verbergen, aber länger nicht. Und dann werde ich ohnehin …« Die Erkenntnis, schon zu viel gesagt zu haben, ließ Marlies innehalten und ihre Gesichtszüge erstarrten.
    Zu gern hätte Annalena ihr gestanden, dass sie Bescheid wusste, dass sie Röber und sie beobachtet hatte,

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