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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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rieselte, wurde die Hoffnung, dass Marlies wieder auftauchen könnte, kleiner. Schließlich blieb Hildegard nichts anderes übrig, als Röber von Marlies’ Verschwinden zu unterrichten.
    »Du kommst mit mir!«, befahl sie Annalena, als brauche sie eine Zeugin, dann stapften die beiden Frauen die Treppe hinauf.
    Röber saß hemdsärmelig an seinem Schreibpult. Ein paar Münzhaufen stapelten sich darauf, davor lagen Pergamentrollen und eines seiner Rechnungsbücher. Der Kaufmann trug sein Haar diesmal offen und so konnte man sehen, dass es an einigen Stellen schon schütter wurde, eine Tatsache, die er mit Zopf oder Perücke normalerweise gut überspielte. »Was gibt es?«, fragte er, ohne aufzusehen, als die beiden Frauen vor seinem Tisch Aufstellung genommen hatten.
    »Herr, uns ist eine Magd abhandengekommen«, sagte Hildegard, nachdem sie Annalena einen kurzen Blick zugeworfen hatte.
    »Abhandengekommen?« Die Tatsache schien ihn nicht zu überraschen. Er fühlte sich nicht einmal genötigt, von seiner Schreibarbeit aufzusehen.
    »Marlies war heute Morgen verschwunden und ist bis jetzt noch nicht zurückgekehrt«, entgegnete Hildegard, und Annalena konnte deutlichen Groll in der Stimme der Haushälterin hören. Galt er Marlies oder Röber? »Ich dachte mir, Ihr solltet es wissen, damit Ihr geeignete Schritte unternehmen könnt.«
    Vielleicht lag es an den Worten, vielleicht auch daran, dass der Kaufmann den Groll tatsächlich auf sich bezog, doch nun wurde Röber wütend. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und schnellte dann in die Höhe. »Verlangt Ihr etwa von mir, dass ich sie suchen lasse? Sie ist ein undankbares Balg, sonst nichts. Soll sie meinetwegen bleiben, wo der Pfeffer wächst!«
    Hildegard senkte den Kopf, Annalena blickte ihn weiterhin an. Sie wusste, dass ihr diese Aufmüpfigkeit unter Umständen nicht bekommen würde, aber sie konnte nicht anders. Sollte er doch aus ihren Zügen herauslesen, was sie über ihn dachte. Was sie von ihm wusste!
    Röber hatte allerdings keinen Blick für sie. Er starrte Hildegard an, und obwohl sie diejenige war, die wohl nicht zu fürchten brauchte, rausgeworfen zu werden, fuhr er sie in einer Art und Weise an, die Annalena bei ihrer Ankunft hier nicht für möglich gehalten hätte. »Ihr seid für die Mägde zuständig, Hildegard, und wenn sich eine von ihnen nicht zu benehmen weiß oder sich undankbar zeigt, ist das allein Euer Versagen! Also liegt mir nicht mit Gesindesachen in den Ohren. Wenn Marlies verschwunden ist, werdet Ihr eben Ersatz beschaffen oder die andere Magd mehr arbeiten lassen.«
    Hildegard nickte pflichtschuldig, doch Röber war noch nicht fertig mit ihr. »Und sollte sich Marlies wieder blicken lassen, werdet Ihr sie aus dem Haus jagen. Ich kann kein unzuverlässiges Personal gebrauchen!«
    Hildegard blickte zunächst drein, als hätte Röber sie geohrfeigt. Dann stiegen Tränen in ihre Augen. Beinahe tat sie Annalena leid. »Ganz wie Ihr wünscht«, presste die Haushälterin schließlich hervor. Jetzt sah sie Annalena nicht an, sondern wandte sich stocksteif um und ging zur Tür.
    Annalena blieb vor dem Schreibpult stehen und blickte Röber weiterhin an. Dieser gab zunächst vor, seiner Haushälterin nachzuschauen, doch dann trafen sich ihre Blicke.
    In diesem Augenblick war es ihr, als würde Mertens sie ansehen. Der Unterschied war nur, dass er keine Peitsche hielt und nach ihr schlug.
    »Was starrst du mich an!«, fuhr Röber sie an, als er merkte, wie zornig ihr Blick war. »Geh wieder an die Arbeit, sonst setze ich dich auch vor die Tür.«
    Annalena knickste, doch ihr Blick ruhte noch einen Moment lang auf seinem Gesicht. Hätte ich nur die Hexenkräfte, die man Krähenweibern nachsagt, dachte sie bei sich, dann würde ich dir ein Leiden anzaubern, das deinen Schwanz verschrumpeln lässt. Doch das konnte sie nicht, also wandte sie sich um und folgte Hildegard.
    Die Haushälterin war bereits unten. Annalena fand sie am Küchentisch, wo sie ein Tuch gegen ihre Augen drückte. Sie hätte Hildegard gern irgendwie getröstet, doch sie wusste, dass sie das nicht wollte. Sie wollte auch nicht, dass man ihr die Tränen ansah. Wahrscheinlich war sie von ihrem Herrn, der ihr sonst stets Vertrauen entgegengebracht hatte, noch nie derart angefahren worden.
    Etwas zu sagen, wäre in diesem Augenblick zwecklos gewesen, und so blieb sie stumm. Doch Annalena konnte Marlies nicht einfach aufgeben. Ihr altes Leben hatte sie einiges gelehrt, und so

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