Das Kreuz am Acker
Rankl zur Antwort.
Der Gruber wandte sich an die Dörfler: »Ich danke euch, Leut, wir haben fürs erste getan, was wir haben tun können. Und du, Franz«, wandte er sich an den Bauern, »du wartest noch ein bissel, ich geh mit dir hinauf.«
Die Männer zerstreuten sich, und in der Nacht, die inzwischen angebrochen war, gingen der Gruber und der Franz schweigend Hintereben zu. Der Wald stand still und dunkel, und die Nacht war schwanger von dem Unglück, das über den Ranklhof gekommen war. Das Rätsel des Verschwindens eines Menschen, der noch vor Stunden inmitten der Dorfgemeinschaft gewesen war, lauerte um die Häuser und dunklen Bäume. Das fahle Schneelicht verdämmerte, als sie am Elenderbach entlang durch die Schlucht hinaufstiegen. Das Rauschen der Wasser löste die erste Rede.
»Jetzt muß halt die Polizei schauen, was los ist. Etwas stimmt da nicht mehr, und das geht die Gendarmerie an«, rief der Bürgermeister über das Tosen des Baches.
»Die Mutter halt, Bürgermeister, die Mutter wird sich härmen.«
»Laß mich reden.« Als das Hochtal sich weitete, kauerte vor ihnen dunkel der Ranklhof. Der Franz ließ den Bürgermeister voran in die Stube gehen. Die Ranklin und die Kathl saßen am Tisch, untätig und wartend. Der Gruber grüßte freundlich und setzte sich auf die Wandbank. Die alte Bäuerin starrte ihn erwartungsvoll an und vergaß, seinen Gruß zu erwidern. Er räusperte sich und fuhr sich mit der Hand nachdenklich über das Kinn. Der Franz zog umständlich den Rock aus und hängte ihn langsam an den Nagel, um die Mutter nicht ansehen zu müssen. Da fing der Gruber an zu reden:
»Ja – Ranklin – also wir haben alles abgesucht – ist alles getan worden, und sind alle Mannsbilder unterwegs gewesen den ganzen Tag – «
Sie sah ihn nur immer schnurgerade an und krampfte die Hände in die Schürze.
»Ja – und – «, fuhr der Bürgermeister zögernd fort, »ist alles umsonst gewesen. Gar nichts ist gefunden worden, und nichts hat man erfragen können. Du kannst dir auch nicht denken, wo er sein könnte?«
Sie schüttelte den Kopf.
Der Gruber war erleichtert, daß sie sich so gefaßt verhielt, und wurde dadurch gesprächiger. Er bot seine besondere Hilfe an, versicherte, daß das ganze Dorf tun wolle, was es zu tun gäbe, und tröstete sie damit, daß die Gendarmerie schon noch herausbringen würde, wo der Rankl steckte oder ob ihm etwas passiert sei. Als er aber merkte, daß sie ihm gar nicht zuhörte, sondern nur geistesabwesend vor sich hinstarrte, machte er sich wieder auf den Weg. Am folgenden Tag kam Gendarmeriewachtmeister Braun auf den Ranklhof und begann, den Franz genau auszufragen, als er merkte, daß ihm die Bäuerin nichts sagen konnte. Auch die Kathl vernahm er und notierte sich ihre Aussage, daß der Bauer am Mittag, als er auf das Feld gegangen war, noch gesagt habe, daß etwas passieren werde oder so ähnlich, und daß er ganz fuchtig gewesen sei. Dann ersuchte er den Franz, mit ihm auf den Hochacker am Nothackerwald zu gehen, wo sich der alte Rankl vor seinem Verschwinden aufgehalten hatte. Zweimal handhoch lag bereits der Schnee, als sie emporstiegen und durch den Birkenwald auf die Blöße kamen, die die beiden großen Felder ausmachten, von denen das untere dem Rankl und das über diesem gelegene und durch einen breiten Staudenrain abgegrenzte obere dem Schwaiger gehörte. Aus dem Rain ragte ein Steinfelsen, der oben noch ein Stück des gußeisernen Kreuzes trug, das von einer ruchlosen Hand einmal zerschlagen worden war. Wo ein Fahrweg hart an beiden Feldern vorbei hinauf in den Fichtenwald führte, zeigte der Franz dem Gendarmen die Stelle, wo er in der Dunkelheit an die Schaufel des Vaters gestoßen war und dann noch dessen Hut gefunden hatte. Der Wachtmeister sah sich um. Dann schritt er weiter bis zu dem Kreuzstein und lehnte sich daran. Das Notizbuch ziehend, wiederholte er das, was er von den Angaben des jungen Bauern niedergeschrieben hatte.
»Sie haben also, als die Dunkelheit bereits eingebrochen war, Nachschau gehalten, um den Vater zu suchen beziehungsweise heimzuholen oder zu verständigen, daß er zum Abendessen kommen solle. Warum haben Sie denn das nicht eher getan? Sie konnten doch nicht annehmen, daß der alte Mann in der Dunkelheit noch auf dem Felde arbeitete?«
Diese Fragen waren dem Rankl unangenehm, und er wurde verlegen: »Wir haben halt zugewartet und gemeint, er käme schon noch.«
»Hm, ja, und als Sie dann heraufgingen, wurde es gerade
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