Das Kreuz am Acker
Nacht und Sie haben den Vater nicht angetroffen. Es hatte bereits geschneit, und da wollen Sie eine Spur gesehen haben, die hinunter zum Schwaigerhof führte?«
»Kann auch daran vorbeigegangen sein. Da heroben hab ich sie nicht mehr gesehen, nur drunten, wo der Weg zwischen unseren Höfen aufwärts geht.«
Wachtmeister Braun machte sich Notizen.
»Und als Sie heraufgingen, hat der Hund jemanden angebellt, der auf der anderen Seite über die Hangwiese talwärts gelaufen sei?«
»Ja, da hab ich einen gesehen, aber nicht viel darauf geachtet – aber – «
»Was aber?« fiel ihm Braun rasch ins Wort.
»Wenn ich so dran denk, dann könnt das der Hetscher gewesen sein. Ich mein, gehüpft ist er geradeso.«
»Und da heroben haben Sie gar nichts bemerkt?«
»Nein, da war es so still wie heut, und ich hab mir gedacht: wird der Vater doch schon heim sein.«
Sie stiegen wieder bergab, und als sie an den Ranklhof kamen, meinte der Gendarm: »Vielleicht kann ich einmal die Schaufel und den Hut Ihres Vaters sehen?«
Genau besah er sich das erdige Schaufelblatt und den Hut.
»Wissen Sie, was Ihr Vater mit der Schaufel gearbeitet hat? Auf das Feld geht man doch gewöhnlich nicht mit der Schaufel, sondern mit einer Feldhaue oder anderem Gerät?«
Der Franz zuckte die Schultern: »Vielleicht hat er Stauden ausgraben wollen? Ich weiß es net.«
Nachdem Braun verlangt hatte, daß die Schaufel vorerst nicht weiter benützt werden dürfe, weil er sie gegebenenfalls brauche, grüßte er und ging. Durch den Schnee stapfte er hinüber zum Schwaigerhof. Es war am späten Vormittag, und der Bauer lag allein in der Stube auf dem Kanapee und war mit einem Federbett zugedeckt. Als auf sein »Herein« der Gendarm in die Stube trat, kniff er, nur murmelnd den Gruß erwidernd, den Mund trotzig zusammen. Seine wachen stahlblauen Augen funkelten unter den buschigen Brauen.
»Herr Wachtmeister, was verschafft mir die Ehre?«
Braun setzte sich etwas zögernd an den Tisch und zog sein Notizbuch hervor.
»Es ist diese leidige Sache mit dem Ranklhofer, die mich zu Ihnen führt. Ich hätte da einige Fragen.«
»So? Dann fragen Sie nur«, keuchte der Schwaiger grimmig, und sein graues Gesicht straffte sich in Abwehr.
Der Gendarm schien jetzt erst zu bemerken, daß der Bauer krank war, und, um nicht gleich mit der Türe ins Haus zu fallen und mit dem Fragen zu beginnen, erkundigte er sich:
»Sind Sie krank, Schwaiger?«
»Mich hat der Gaul geschlagen. Hab den Doktor gebraucht zum Vernähen – und hab noch Fieber.«
»Ich werde Sie nicht lange aufhalten, aber Sie wissen ja, dieses Verschwinden von Ihrem Nachbarn – ich muß da leider auch an Sie einige Fragen stellen. Jede Spur ist wichtig.«
Fast wütend blitzte der Bauer den Wachtmeister an: »Was wollen Sie denn von mir wissen?«
»Waren Sie an dem fraglichen Nachmittag- und am Abend droben auf Ihrem Acker am Nothackerwald?«
»Am Abend wohl nimmer, aber am Nachmittag.«
Unbefriedigt verharrte Braun, überlegend und nachdenkend. »Wann sind Sie dann von droben weggegangen? War das noch, bevor es geschneit hat, oder lag schon etwas Schnee, als Sie heimgingen?«
Mit geschlossenen Augen und gefurchter Stirne lag der Schwaiger und ließ sich zur Antwort etwas Zeit. Zwischen den beiden Männern schien sich, unsichtbar und doch zu spüren, in der stillen Stube eine Feindseligkeit zu bauen. Es war, als hielte der alte Bauer lauernd den Atem an, und der Laut der tickenden Uhr bekam dadurch die Oberhand.
»Es hat grad schon die ersten Flocken geworfen, als ich heimging.«
»War es da noch hell oder schon dunkel?«
»Es ist grad finster worden, glaub ich.«
»Haben Sie den Rankl droben angetroffen – ich meine – gesehen?«
»Ja, er war schon vor mir droben und hat den ganzen Nachmittag an dem Staudenrain umgegraben.«
Durch die scheinbare Harmlosigkeit der letzten Frage klang verstecktes Lauern.
Die welken Augenlider des Bauern zuckten, und er streckte sich mit einem unwilligen Brummen. »Ich hab auf den Rankl nicht geachtet, und ich weiß auch nit, wann er aufgehört hat zu arbeiten. Als ich heimgangen bin, hab ich ihn nimmer gesehen.«
»Was haben Sie getan?«
»Was ich getan hab? Wie – « Ein plötzliches Erschrecken flog über die verkrampften Züge: »Sie meinen, was ich geschafft habe! Ich hab ein paar Birken umgehauen, droben am Waldrand.«
Der Wachtmeister überlegte und fragte dann weiter:
»Konnten Sie den Rankl von Ihrem Arbeitsplatz aus sehen?«
»Nit
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