Das Kreuz am Acker
alleweil. Es waren die Stauden dazwischen und – Sie wissen ja, daß wir zwei nicht gut aufeinander zu reden sind – und da hab ich ihn nicht viel beachtet.«
»Das versteh ich schon«, nickte Braun und forschte weiter: »Ist sonst noch jemand oben gewesen oder einmal vorbeigekommen?«
Der Schwaiger wurde schon grob: »Ich hab net drauf aufgemerkt. Will mit der Sache nichts zu tun haben!«
Da betrat die Barbara die Stube, und mit einem freundlichen und verlegenen Lächeln fragte sie: »Machen Sie einen Krankenbesuch, oder haben wir etwas angestellt?«
Abwehrend lachte der Gendarm: »Bin nur hier, um ein wenig herumzufragen.«
»Aha!« sagte sie, und die Oberlippe zuckte trotzig. »Wegen dem Nachbarn?«
Braun schloß sein Notizbuch und steckte es umständlich in die Brusttasche, knöpfte den Uniformrock wieder zu und schlug mit der flachen Hand auf die Stelle, an der sich das Büchel durch den grünen Rock abzeichnete.
»Ja, dieses Verschwinden ist einfach rätselhaft, und einer der letzten, die den Rankl noch gesehen haben, war Ihr Herr Vater.«
»Der Vater?« Erstaunen malte sich in ihrem gesunden Gesicht. »Davon hat er noch gar nichts gesagt!«
»Unfug!« fuhr der Schwaiger rauh dazwischen. »Hab halt am Nachmittag gesehen, daß er auf dem Feld war, mehr weiß ich auch net.«
Sie bekam einen roten Kopf und wich den zürnenden Blicken des Alten aus. Dann setzte sie sich so, daß ihr Gesicht im Fensterschatten lag, und freundlich fragte sie: »Weiß man noch gar nichts, wo der Rankl hingekommen sein könnte?«
Braun war durch die Anwesenheit des hübschen Mädchens vom amtlichen Zweck seines Besuches sichtlich abgekommen und schien nun die Gelegenheit zu einer Unterhaltung mit der Barbara nützen zu wollen. Er zuckte die Schultern, gab aber eifrig Antwort auf die Frage.
»Wir wissen noch gar nichts, das heißt: nicht viel. Allerdings bin ich erst am Anfang meiner Ermittlungen, und da habe ich vorhin erst erfahren, daß auch noch ein bisher unbekannter Mann an diesem Nachmittag auf dem Nothackerwald war.«
Die Hände des Schwaiger zuckten nervös, und hastig fragte er: »Ein anderer? Wer könnte das gewesen sein?«
»Der junge Rankl hat ihn gesehen. Als er seinen Vater holen wollte, lief dieser Mann vom Wald quer über die Hangwiese herunter.«
»Und hat er ihn nicht erkannt?«
»Er meint, der Hetscher könnte es gewesen sein.«
Die Züge des Bauern entspannten sich, und sein Gesicht wurde wieder müde und verfallen.
»So, so, da war einer droben – «, murmelte er für sich.
Da mischte sich die Barbara wieder ein: »Bist gar net gut beieinander, Vater, meinst, daß wir den Doktor wieder holen sollen?«
»Brauch ihn nimmer!« keuchte er. »Wird schon wieder werden – und er wird selber schon nachschauen.«
Etwas zögernd begann nun der Gendarm wieder zu fragen: »Sie waren doch mit Ihrem Nachbarn verfeindet?«
Der Schwaiger tat, als wollte er sich aufrichten, und ließ sich ächzend wieder in die Kissen zurücksinken.
»Das ist net an mir gelegen. Ich hab auf mein Recht bestanden, und das wollt er mir abstreiten. Ich hab mich um den Stein gewehrt, weil er auf meinem Grund steht und schon meinem Vater und Großvater etwas gegolten hat. Die haben auf diesen Stein ein Kreuz setzen lassen, und ich glaub, ich weiß, wer das Kreuz heruntergeschlagen hat! Der Stein bleibt! Und ein neues Kreuz kommt auch drauf.«
»Sie hatten ja an dem Tag grad wieder einen Termin vor dem Amtsgericht?«
»Ja, aber es nützte nichts. Mit dem Rankl hat man nicht reden können. Er war versessen drauf, daß der Stein weg muß, damit er seinen Rain zum Feld ackern kann. Ich – lieber hätt ich ihm ein Fleckel Feld geschenkt, aber – er hat es ja net haben wollen – war ja wie ein Verrückter!«
Da schien dem Wachtmeister ein Gedanke durch den Kopf zu gehen, und rasch fragte er: »Haben Sie sich an diesem Nachmittag auf dem Acker mit dem Rankl gestritten?«
Das Gesicht des Schwaiger rötete sich wie im Fieber, und ein wütender Blick traf den Frager: »Lassen S’ mich in Ruh jetzt! Ich hab Ihnen gesagt, was ich weiß!«
Braun setzte die Mütze auf und verließ mit einem Gruß die Stube. Die Barbara begleitete ihn noch bis vor die Haustüre. Dort plauderten sie noch eine Weile, und mit sichtlichem Gefallen bemühte sich der Gendarm, das Gespräch in die Länge zu ziehen.
»Es ist schade, daß man Sie so selten im Dorf sieht. In das Kino in der Stadt gehen Sie wohl gar nicht? Da wird am Sonntag ein ganz großer
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