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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
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und er nahm den breitkrempigen schwarzen Hut vom Kopfe. Verschnaufend sah er über die breiten Hänge hin, die sich vom Elenderbach hinauf zum Wald schwangen.
    Aus den Hangmulden spitzten die Dachgiebel des Rankl- und des Schwaigerhofes.
    Waren nie recht zugänglich gewesen, die Ranklhoferischen. Der Mann ein Einschichter und Eigenbrötler, der, durch den Streit mit dem Nachbarn aus dem Gleichmaß seines Bauernlebens gedrängt, sich und seiner Familie Sorgen genug gebracht hat, das Weib eine stille und herbe Frau, wie sie durch die schindmäßige Arbeit auf dem rauhen Boden wachsen, und der Junge ein eigenstämmiger und verschlossener Mann, der vielleicht schon bald wurde wie der Alte. Wo dieser hingekommen sein mochte?
    Ob es viel Zweck hatte, der Ranklhoferin Trost und Zuspruch zu bringen? Sie war von einer Art, die allein vielleicht am besten fertig wurde. Aber es war des Pfarrers Pflicht, einmal nachzusehen. Die Ranklhoferischen waren ihm immer etwas ferngeblieben, und er hatte ihr Haus nur einmal im Jahr betreten, wenn er mit der Dreikönigsweihe durch seine Pfarrei ging.
    Oft scheint es in der Natur zu liegen oder man scheint es den Häusern anzumerken, daß das Unglück auf ihrem Dach hockt, mußte er denken, als er den Hof mit seinen finsteren Holzwänden und den stumpfen, kleinen und freudlosen Fenstern unter dem verschneiten Dach vor sich sah. Wie drohend reckte ein alter Holzapfelbaum die blattlosen Äste in den Himmel.
    Im Stadel schnurrte das Schnarchen einer Handsäge.
    Die Haustüre knarrte widerspenstig, als der Pfarrer sie aufdrückte. Im Hause war es totenstill. Ein müdes »Herein« rief ihn in die Stube. Die Ranklin saß, steil aufgerichtet, auf der Wandbank und hatte die Hände im Schoß gefaltet. Ihr hartes Gesicht entspannte sich, als sie den Pfarrer erkannte, und sie stand langsam auf. Ihr Gruß kam räuspernd und als wäre sie des Redens ungewohnt aus dem schmalen, verkniffenen Mund. Dann blickten die grauen Augen fragend den Besucher an.
    Über dem Warten auf das Wort des Geistlichen vergaß sie, diesem einen Platz anzubieten, und so blieb er mitten in der Stube stehen, der großen und aufrechten alten Bäuerin gegenüber. Er hatte das Gefühl, als wäre hier kein Zuspruch nötig, weil die Kraft dieser Frau selbst ausreichte, um mit der Sorge fertig zu werden. Er merkte, wie seine ersten Fragen nach dem Wohlergehen an ihrem Ohr vorbeigingen, und wie sie sich mühte, selbst einen Anfang zu finden, um etwas zu sagen. Plötzlich sprach sie hastig und die Worte abreißend:
    »Herr Pfarrer, Sie sind wegen meinem Mann da. Er wird halt nimmer kommen, acht Tage ist er schon aus! Wird irgendwo unterm Schnee liegen, oder er hat sich – «
    »Meinen Sie, Ranklhoferin, er könnt sich etwas angetan haben?«
    »Ich weiß es nit, aber ich weiß, daß er nimmer lebt.«
    Wie hart und überzeugt diese Frau sprechen konnte, und wie ruhig sie dabei war! Etwas betroffen und unsicher fragte der Pfarrer:
    »Man sollt aber doch nicht gleich das Schlimmste annehmen. Und warum meinen Sie, daß er nimmer lebt?«
    Da wandte sie den Kopf zur Seite, und leise sprach sie vor sich hin: »Herr Pfarrer, ich glaub an das Todanmelden, ich hab es schon einmal erlebt, als mein Vater gestorben ist, und was ich in der Nacht erlebt hab, in der mein Mann nimmer kommen ist, das ist zum Fürchten. Ich weiß, daß er nimmer lebt – er hat sich angemeldet – oder es ist schon sein Geist gewesen.«
    Nachdenklich stand der Pfarrer und sah mitleidig auf die Frau, die sichtlich unter der Ungewißheit schwer litt, was aus ihrem Mann geworden war, das mußte sie Tag und Nacht quälen.
    Dann erzählte die Ranklhoferin stockend, welche Zeichen ihr in der fraglichen Nacht den Tod angemeldet hätten.
    Gegen diesen Glauben der Bäuerin war nicht aufzukommen, das wußte der Pfarrer. So waren sie alle hier in diesem Tal, und wer weiß, ob sie darin nicht auch oft recht hatten. Wenn der Mensch von seiner ersten Stunde an so stark und mit soviel Not und Sorge mit seinem Grund und Boden, mit Haus und Hof und dem irdischen Kampf verwurzelt war, dann konnte es vielleicht sein, daß seine Seele sich nicht gleich trennen konnte von dieser Erde. Wer wußte überhaupt, welche Mächte zwischen dem Diesseits und Jenseits wirken?
    »Vielleicht ist das aber doch eine Täuschung gewesen«, meinte er, aber ein bestimmtes »Nein« der Bäuerin war die schnelle Antwort.
    Dann fuhr sie ruhig und gefaßt zu reden fort:
    »Am End ist es ein Unglauben, aber ich muß

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