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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
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das glauben, was ich gesehen und gehört hab – und was ich gespürt hab. Leicht ist es gar eine Sünd, so was zu glauben, aber das weiß ich, daß mein Mann in derselbigen Nacht im Haus gewesen ist als Lebendiger oder als Toter. Lebende Leut aber sieht man. Ich glaub nit an gute und böse Geister, wie unsere Ahnen gemeint haben, aber ich glaub, daß es etwas gibt, was wir halt doch nit verstehen.«
    Fast heftig war sie geworden, und dabei war von ihrem Gesicht die Spannung gewichen. Nun aber, da sie geendet hatte, strafften sich ihre Züge wieder.
    Hier, vor dieser starken Frau, waren gewöhnliche Trostworte vergebens gesprochen, erkannte der Pfarrer und wandte sich zum Gehen.
    »So Gott will, Ranklbäuerin, wird auch dieses Leid vorübergehen und sich alles klären. Tragen müssen wir alles, was kommt, weil wir dem nicht davonlaufen können. Einen guten Gedanken und ein Gebet aber kann jeder lebende und tote Mensch brauchen.«
    Sie stand mit gesenktem Kopf. Er drückte ihr die Hand und ging. Als er auf dem Weg zum Schwaiger noch einmal zurücksah, bemerkte er ihre hohe Gestalt hinter dem kleinen Fenster. Der Schwaiger ging, schwer auf einen Stock gestützt, bereits wieder in der Stube umher. Als der Geistliche eintrat, begrüßte er ihn freundlich und bot ihm gleich einen Stuhl an. Er selber ließ sich mit einem Ächzen auf das Kanapee nieder.
    »Hat dich ja schwer erwischt, Schwaiger«, begann der Pfarrer, »habe es erst erfahren, als du zur letzten Gemeinderatssitzung nicht erschienen bist.«
    Eine leichte Unruhe flackerte in den hellen Augen unter den grauen, buschigen Brauen, und die Antwort kam stockend:
    »Hab Pech gehabt, Pfarrer, hätt dumm ausgehen können?« Er lachte gepreßt. »Hab aber doch wieder Glück gehabt. Kann sein, daß ich für eine lange Weil ein bissei krumm gehen muß und dazu den Stecken brauch.« Wieder lachte er hölzern und ungeschickt. »Wird schon wieder werden!«
    Mit dem Schwaiger redete sich der Dorfpfarrer leichter, und er war auch nicht nur deswegen gekommen, um ihn als Kranken zu besuchen, sondern weil es eben am Wege lag.
    »Bist auch schon alt genug, Schwaiger«, meinte er, »und brauchst nicht mehr alle Arbeit auf dich nehmen. Hast ein heiratsfähiges Dirndl, und wenn ein tüchtiger Schwieger da wäre, könntest in den Ausnahm gehen.«
    »Pressiert mir aber net. Mit einem Knecht halt ich es noch lang aus. Die Bärbl tut noch gar net, als wenn sie ans Heiraten denken tat.«
    »War grad drüben bei der Ranklhoferin«, erzählte der Geistliche, »die nimmt es ganz schwer. Wie ein Mensch heutzutag noch spurlos verschwinden kann, ist mir ein Rätsel. Unter den Lebenden wird der Rankl wohl nimmer sein.«
    Heftig schüttelte der Schwaiger den Kopf: »Und ich glaub felsenfest, daß er noch lebt. Den hat etwas angepackt, sag ich dir, Pfarrer, und da ist er auf und davon. Leicht ist er über die Grenze, hat ja Verwandte drüben. Der wird schon wieder auftauchen.«
    Nachdenklich sah der Pfarrer zu Boden: »Kommen wird er wohl wieder einmal, aber ob er als Lebendiger kommt?«
    Die hagere Faust des Bauern spannte sich um den Griff des Hakelsteckens: »Wie meinst das, Pfarrer?«
    »Wenn der Schnee einmal weggeht! Die Ranklin meint, daß er ihr schon als Toter die Zeichen gegeben hat, in derselbigen Nacht, und das wird sie sich auch nicht ausreden lassen.«
    Heiser und kaum hörbar wiederholte der Schwaiger: »Wenn der Schnee geht…« Dann raffte er sich auf und betonte eigensinnig: »Glaub’s net, ein Mensch kann doch net verschwinden.«
    »Der Gendarm Braun meint, er hätt schon eine wichtige Spur, tut aber recht geheimnisvoll.«
    Der Bauer sank auf dem Kanapee zusammen und hielt sich die Seite. »Kann doch noch net ganz aufbleiben, ist mir gar net gut«, ächzte er.
    »Leg dich nur hin! Hab bloß einmal hereinschauen wollen und muß noch zur Rothkopf Marie, die wird es nicht mehr lange machen.«
    Der Schwaiger hatte sich hingelegt, mit grauem Gesicht und geschlossenen Augen.
    »Pfarrer, hätt noch etwas mit dir zu reden. Möcht, daß auf dem Stein in meinem Acker bald wieder ein Kreuz steht. Werd eins anschaffen, wenn ich wieder in die Stadt komme. Möcht, daß du es im Sommer einweihst.«
    Der Pfarrer, der sich schon zum Gehen erhoben hatte, nahm nun wieder Platz. »Wenn du ein Kreuz aufstellen willst, ich weih es schon ein. Wie soll das nun aber mit eurem Grenzstreit weitergehen?«
    Der Schwaiger atmete schwer.
    »Hätt der Rankl ein Einsehen gehabt, dann wäre es gar nicht erst ein

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