Das Kreuz am Acker
durch den Körper. Er ließ den Alten los und lehnte sich auf dem Stuhl zurück.
»Ich muß rein krank sein, weil’s mich so schüttelt.«
»Krank bist«, hustete der Hetscher. »Weißt net mehr, was du tust! Geh heim und leg dich nieder!«
»Ja, ich muß schauen, daß ich ins Bett komm.« Er erhob sich und wankte zur Türe. »Ein Dutzend Besen machst mir und – zahlen tu ich dich gut, aber daß du mir kein Wort sagst, daß ich dagewesen bin!« Dann taumelte er aus der Türe.
Mit gerecktem Hals horchte der Hetscher hinter ihm her, und erst als nach einer »Weile die knirschenden Schritte sich entfernt hatten, kroch er wimmernd auf die Ofenbank.
»Das mußt mir büßen, Bauer! Das reut dich noch, großer Schwaigerhofer!«
Als die Barbara und der Knecht den Bauern suchen gingen, fanden sie ihn am Elenderbach im Schnee. Sie schleppten ihn zum Hof, und in der Stubenwärme schlug er hart, wie ein Stück Holz, auf den Boden hin.
Die ganze lange Nacht saß die Barbara am Bett des Vaters und hörte mit Schreck und Entsetzen die Worte, die der Fieberkranke hinausschrie. Sie hielt ihm den Mund zu und horchte verstört in das Haus hinaus, atmete erleichtert auf, als sie merkte, daß die anderen zu Bett gegangen waren.
Als gegen Morgen der kranke Bauer in einen tiefen Schlaf fiel, brach sie aufschluchzend vor dem Bett in die Knie.
»Lieber Gott, laß das nur die Red eines Kranken gewesen sein!«
Noch einmal hatten sich auf Anordnung des Bürgermeisters die Dorfleute auf die Suche nach dem verschwundenen Ranklhofer gemacht, und abermals waren sie unverrichteter Dinge aus den Wäldern zurückgekehrt. Mit jedem Tag nahm der Alltag wieder mehr die Überhand, und als es gegen Weihnachten ging, kam in den Häusern und Höfen nur mehr gelegentlich die Rede auf den vermißten Bauern.
Im Ranklhof war man schweigsam geworden, und man vermied es soweit wie möglich der Ranklin gegenüber vom Bauern zu reden. Wortlos gingen sie der Arbeit nach und saßen am Abend stumm in der Stube, soweit nicht die Kathl es vorzog, in die anderen Höfe zur Sitzweile zu gehen, um etwas Unterhaltung zu finden.
Dann rückte sie eines Tages damit heraus, daß sie in dem Unglückshaus nicht länger bleiben wolle und zu Lichtmeß eine andere Stelle annehmen werde.
Die Ranklin hatte nur genickt. Wortlos schleppte sie sich durch die Tage, blieb mittendrin stehen und schien über etwas angestrengt nachzudenken.
Der junge Bauer beobachtete das sonderbare Verhalten der Mutter mit wachsender Sorge.
Einmal, als sie am späten Abend noch in der Stube saßen und der Wintersturm um den Hof brauste, im Kamin pfiff und draußen am Hoftor nackelte, um den Giebel sang und in Stößen das Fenster klappern ließ, fing die Ranklhoferin von dem zu reden an, was sie die ganze Zeit beschäftigte.
»Franz, ich muß alleweil an etwas denken, und das will mir net aus dem Sinn. Der Schwaiger weiß mehr von unserm Vater als die andern alle miteinander. Er ist doch droben gewesen auf dem Acker am selbigen Nachmittag, und ist ja auch erst heimgangen, als es schon ein bissei geschneit hatte. Du hast doch seine Tritte gesehen! Er muß den Vater gesehen haben – «
Fragend sah sie der junge Bauer an: »Was meinst damit?«
Gequält setzte die Bäuerin dumpf ihre Rede fort: »Wenn es zwischen den zweien – wenn sie sich gestritten haben – «
Erschrocken wehrte der Franzi ab. »Mutter, so was darfst net sagen! Dafür ist kein Beweis da. Und – ich hab auch schon dasselbe gedacht und wollt es net sagen.«
»Aber ob man nicht doch dem Gendarm einen Wink geben sollt?«
Er wehrte ab. »Der Braun ist schon drüben gewesen, mehr als einmal, wahrscheinlich um den Nachbarn zu vernehmen. Und der Braun ist net dumm. Der tät das herausbringen, wenn etwas daran wär.«
Nachdenkend und Wort für Wort hervormühend, fuhr sie fort: »Anderseits muß ich dann auch wieder denken: der Schwaiger ist, solang ich ihn kenn, ein guter und ehrlicher Mann gewesen, und man wird ihm auch net zutrauen können, daß er es verschweigen tat, wenn er vom Rankl etwas wüßt. Könnt es selbst net fassen, wenn der Schwaiger – aber daran denken muß ich alleweil.«
»Man soll halt niemandem etwas Unrechtes nachsagen, und ich kann net glauben, daß der Nachbar uns net gleich verständigt hätt, wenn er was wüßt!«
Die Ranklin sagte nichts mehr darauf und ging mit schleppenden Schritten in die Kammer.
Der Franz saß noch eine Weile und döste vor sich hin. Horchte auf den Wind, der alle
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