Das Kreuz am Acker
sich nicht bald etwas herausstellt, die Staatsanwaltschaft um die Mitwirkung der Kriminalpolizei ersuchen müssen. Ich hab die Meinung, daß, wenn dem Rankl etwas zugestoßen ist, er irgendwo droben im Wald liegt, und wenn er sich etwas angetan hat, dann hängt er vielleicht in irgendeinem Dickicht, und falls er über die Grenze gegangen wäre, was ich nicht glaube, dann müßte man auch einmal etwas von ihm hören. Ich hab auch meine Vermutungen, aber was hilft das, wenn ich nichts beweisen kann?«
»Zu mir sagt zwar keiner was«, meinte der Bürgermeister, »aber hier im Dorf und oben in Hintereben wird doch allerhand gemunkelt. Das hab ich im Gefühl.«
Braun machte eine wegwerfende Bewegung: »Mit dem Leutgerede läßt sich nichts anfangen. Einer könnt vielleicht etwas sagen, ich werde ihn mir auch noch kaufen. Aber der hat seine fünf Sinne nicht ganz beisammen.«
»Der Hetscher?«
» Ja !«
»Soll ich einmal probieren, ob er redet?«
»Vielleicht bringen Sie es fertig. Ich habe ihn schon einmal auszuholen versucht, aber er ließ mich auf der Dorfstraße stehen.«
Als gegen Mittag des gleichen Tages der Hetscher über den Dorfplatz hinkte, rief der Gruber ihn ins Haus, und weil es gerade Zeit zum Mittagessen war, ließ er auf dem Gesindetisch auch einen Teller für den Alten aufstellen.
Argwöhnisch jeden, vom Bauern bis zum Knecht, musternd, schlich der Besenbinder sich in die Stube und blieb gebückt, die Hand auf das verkrüppelte Knie gestützt, an der Türe stehen.
»Setz dich hin, kannst mitessen«, bedeutete ihm der Bauer.
Mit schnellen Blicken, den Bürgermeister nicht aus den Augen lassend, knappte er zum Gesindetisch und nahm den ihm zugewiesenen Platz ein. Nachdem der Oberknecht vorgebetet hatte, wurde schweigend gegessen. Das Schlürfen und Schmatzen des Alten störte die beiden Dirnen, und sie lachten sich verstohlen zu. Sie gingen auch gleich daran, den Tisch abzuräumen, als sie gegessen hatten, und das Geschirr in die Küchel zu tragen.
»Stell ihm ein Krügel Bier hin«, sagte am Bauerntisch der Gruber zu seinem Weib, und ein verklärtes Grinsen des Besenbinders dankte ihm dafür. Als dann auch die Bäuerin aus der Stube war und als letzter der Knecht folgte, fing der Bürgermeister zu reden an:
»Na, wie geht’s?«
»Net gut, Bürgermeister, net gut«, hauchte der Hetscher.
Also, zum Reden war der Alte zu bringen! Nun brauchte er nur mehr auf Umwegen veranlaßt zu werden, das zu sagen, was man von ihm wissen wollte.
»Wann hat es denn heuer eigentlich zum erstenmal einen Schnee geworfen?«
Ganz harmlos tat der Gruber, während er sich eine Pfeife stopfte. »Weiß ich nimmer«, gab ihm aber der andere unterwürfig zur Antwort.
»Fällt mir grad ein«, bemerkte der Bürgermeister. »Am selben Nachmittag ist es gewesen, wie der Rankl nimmer vom Hochacker runterkommen ist.«
Unruhig zuckte der schmale und von einem grauen Haarschüppel gekrönte Kopf des Alten hin und her, und das zerfurchte Gesicht wurde verkniffen und verschlossen. Ganz scheinheilig fuhr der Gruber im Fragen fort:
»Du bist ja damals droben gewesen im Nothackerwald. Ich mein schon, daß dich jemand gesehen hat.«
Da schnellte der Hetscher auf, daß der Sitzschragen polternd auf den Boden schlug, und rumpelte zur Türe. Ehe der Bürgermeister ihm noch etwas nachrufen konnte, schlug die Türe krachend ins Schloß und sprang der Alte draußen über den Dorfplatz. Mit langen Sätzen hetzte er durch das Dorf dem Walde zu und die Schlucht am Elenderbach aufwärts.
In seinem Häusel in Hintereben angelangt, verkroch er sich zitternd hinterm Ofen und legte die Hacke griffbereit neben sich.
An diesem Nachmittag aber hatte sich auch der Hauptwachtmeister Braun vorgenommen, den Hetscher aufzusuchen und einer scharfen Vernehmung zu unterziehen. Das Tageslicht nahm schon etwas ab, als er, ohne anzuklopfen, durch die niedere Türe trat. Als er sie hinter sich zudrückte, quietschte sie in den Angeln. Er blieb eine Weile stehen, um sich in der Dämmerung zurechtzufinden, bis er den Hetscher erkannte, der wie ein Bündel Lumpen beim Ofen kauerte. In dem niederen Raum war es kalt und muffig.
»Herr Adamsberger?«
Ein klägliches Knurren antwortete ihm. Aus der dunklen Ecke tauchte das weiße Gesicht des Alten auf. »Hetscher, ich muß Sie um etwas fragen. Sie können mir doch eine vernünftige Antwort geben?«
Die Augen des Irren starrten ihn entsetzt an. Er gab keine Antwort.
»Sie waren doch an dem Tag, an dem der
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