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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
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Schwaigers griff nach den Füßen des Herrgotts.
    »Was wird noch alles kommen über mich, bis ich meine Ruh hab? Ich hab keine Schuld, du weißt es, aber ich kann den Mund net auftun – ich kann net. Und mir ist, als müßt mich dieser Stein erdrücken. Sehe das Unglück von allen Seiten kommen und kann mir net helfen!«
    Er stülpte den Hut auf den grauen Kopf, nahm den Hammer auf und stolperte die letzte Ackerfurche des Ranklackers entlang zum Weg.
    Mit schweren Schritten und hängenden Schultern stieg der Bauer nieder zu seinem Hof, alt und müde, als hätte er einen langen Tag schwerste Arbeit getan droben im Nothackerwald.
    »Ist ein Herr dagewesen und hat nach dem Bürgermeister gefragt. So ein feiner, vom Straßenbau ist er und will morgen wiederkommen«, berichtete ihm die Hauserin.
    Er nickte nur, erkundigte sich nach dem Stand der Arbeiten auf dem Hof, gab dem Knecht die Weisungen für den nächsten Tag und ging nach der Abendsuppe in seine Schlafkammer.
    Fast zwei Jahrzehnte stand nun dort das zweite Bett schon leer. Zudecke und Polster waren hoch aufgebaut, und über dem Bett an der Wand hing ein gelbfleckiges Bild, das den Schwaiger mit seinem Weib im Brautstaat zeigte.
    Wie viele Nächte war er in diesem vergangenen Winter hier gelegen und hatte zur Decke gestarrt oder leise Selbstgespräche geführt! Und hatte bangend auf das Frühjahr gewartet. Nun war es da, und nun stand auch das Kreuz auf dem Stein.
    Aber es gab ihm nichts wieder von seiner Ruhe.
    So ein inwendig fressendes, nicht ruhendes und nicht zu unterdrückendes Grübeln war schlimmer als eine leibliche Krankheit. Es konnte an einem zehren und reißen, daß einem übel wurde, und oft war ihm, als wollte die Angst sein Gesicht einfrieren, so kalt spannte sich dann die Haut um die Wangen.
    Auf dem Ranklhof beherrschte die Arbeit die Menschen und ließ sie Tag um Tag müde werden und am Abend früh ins Bett sinken. Der junge Ranklhofer ging unermüdlich der Feldarbeit nach und nahm sich kaum Zeit zum Essen. In der Stube hielt er sich nur mehr kurz auf, soweit das nicht zu vermeiden war. Er war wortkarg, fast kopfhängerisch geworden und ließ viele Anreden unbeantwortet. Wurde unwillig, wenn er nach dem Grund seiner Verdrossenheit gefragt wurde, und blieb darüber selbst der Mutter die gebührende Antwort schuldig. Als gar die Agatha einmal gutmeinend ihn darob anredete, fertigte er sie grob ab, und da wich auch sie ihm aus.
    In diesen Tagen aber schlossen sich die beiden Frauen mehr zusammen. Wie Dankbarkeit und Anhänglichkeit und die Sorge um den Franzi zur großen Not für die kleine Agatha wurden, entging der Ranklbäuerin nicht. Sie empfand Mitleid mit dem Dirndl. Was hatte es denn schon vom Leben und der Welt erfahren. Gar nichts! Sie kannte keine Stunde mit Vergnügen und Frohsinn. An die Arbeit um das kleine Häusel im hinteren Tal und das Krankenlager der Mutter gebunden, war sie in ihrer neuen Umgebung wie ein Blüml, das erste Wurzeln fassen mußte, ein schüchternes, feinsinniges Wesen, das nicht viel Bäuerliches an sich hatte. Sie sah den Franzi gern, die Rothkopftochter und Dirn auf dem Ranklhof, und sie litt unter dem unguten Wesen, das der junge Bauer seit Wochen zeigte.
    In der alten Bäuerin aber sollte sie etwas wie eine zweite Mutter haben, das hatte sich diese geschworen. Und die Agatha fühlte das und hing mit einer kindlichen Verehrung an der Ranklhoferin. Mit ihrem Fleiß versuchte sie der alten Frau zu danken, und über die Arbeit im Hofe hinaus versuchte sie ihr vom Haushalt abzunehmen, was sie erraten konnte.
    So gingen auf dem Ranklhof die Tage gegen Ostern.
     
    Es war ein großer, überschlanker junger Mann mit einem scharfgeschnittenen braunen Gesicht und hellen, munteren Augen, der sich in der Palmwoche auf dem Schwaigerhof einfand und nach dem Bürgermeister fragte. Er stellte sich als Vermessungsingenieur Heinz Wallenbeck vor und tat freundlich und bestimmt, als wären der Schwaiger und das ganze Dorf ihm schon lange bekannt. Ein frohes Lachen machte seine Reden liebenswürdig, und dabei zeigte er schöne weiße Zähne.
    Wie einer vom Film, mußte die Barbara denken, als er ihr kräftig die Hand schüttelte und ihr auch gleich sagte, daß er nie vermeint hätte, daß in diesem abgelegenen Wald so schöne Blumen blühten. Dabei zwinkerte er zwar leicht mit den Augen, und es sollte sichtlich als ein unverbindliches Kompliment gesagt sein, aber die Schwaigertochter witterte, daß doch etwas in dieser Anrede

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