Das Kreuz der Kinder
französischen Hofes die Grenzen, »aber ausreichend
beschädigt, zumindest für längere Zeit kampfunfähig –.«
»– friedenswillig! Darauf kommt es Frankreich an!«
sagte Marie de Rochefort, während ihr Gegenüber sich
erhob. »Es soll Euer Schade nicht sein, Elgaine!«
Die Hofdame aus Paris umarmte die wesentlich Jüngere,
die ihr schnippisch herausgab: »Man sagt Euch mit Recht!
– nicht nach, Marie, daß Ihr kein einnehmendes Wesen
hättet!«
»Gute Arbeit hat ihren Preis! Ihr geltet auch nicht als
billig –.« versetzte die Rothaarige schlagfertig, während
sie sich von Elgaine zur Tür geleiten ließ. »Ich überlasse
Euch Rik van de Bovenkamp, dessen ich nicht mehr
bedarf. Seid bedankt, edler Ritter!«
Mit dieser rüden Verabschiedung ihres Begleiters verließ
Marie de Rochefort den Raum.
Kaum waren sie allein, wandelte sich das hochfahrende
Wesen Elgaines in das einer liebenswürdigen Gastgeberin.
Sie ließ Wein, Nüsse, Schinken und Käse auffahren, auch
einige Äpfel, die sie eigenhändig für ihn schnitt. Dazu
setzte sie sich neben den Deutschen, auf Tuchfühlung.
»Nun könnt Ihr mir ja den Ring endlich zurückerstatten,
Rik«, begann sie wie ein schnurrendes Kätzchen, »den ihr
dankenswerterweise –.«
»Den Ring?!« entfuhr es Rik, mit hochrotem Kopf, »den
habe ich – ich wurde in Sankt Peter überfallen, man hat
ihn mir mit Gewalt vom Finger gerissen –.«
Er besah sich bekümmert seine Hände, als ob Spuren
einer Mißhandlung geblieben wären.
»Ihr Tölpel! Ihr habt ihn offen getragen?!«
Der Liebreiz war verflogen, blanker Hohn und Wut
spiegelten sich in den Augen des Hoffräuleins. »Ich sollte
Euch auf die Straße jagen wie einen dummen Hund.«
Dann besann sie sich und gab sich milder: »Da Ihr im
Kloster nicht übernachten könnt, habe ich für Euch ein
Lager im Stall bereiten lassen. Dort könnt Ihr schlafen!«
Es war in der Tat spät geworden. »Morgen früh berichtet
mir, wer die Männer waren, die Euch –.«
Rik hatte Gefallen an dem Spiel gefunden und der ihm
darin zugedachten Rolle. »Wie soll ich sie Euch
beschreiben, liebe Elgaine, ich kannte sie ja nicht« er
überlegte kurz, »aber sie wußten, daß ich den Ring trug –
.«
»Wir haben mächtige Feinde.«
Elgaine gab sich versöhnlich. »Trotzdem darf der Ring
nicht in ihren Händen bleiben, am liebsten würde ich noch
heut nacht –.«
»Bei wem schlafen?!«
Rik genoß mit der Freiheit auch die Frechheit eines
Narrens. »Ihr hingegen scheint zu wissen, wer –.«
»Wenn ich den Mann der Kirche heute Nacht in seinem
römischen Quartier antreffe, dann weiß ich, daß er seine
Hand im Spiel…« – Sie verwarf die Idee. »Ich werde
Euch vor Tagesanbruch wecken, und wir werden beide
zusammen den Monsignore zur Rede stellen –.«
»Gilbert de Rochefort?!«
Rik war sich sofort sicher. »Der Bruder von Marie?«
»Der Inquisitor arbeitet für den Feind«, sagte sie
trocken. »Er würde jeden ans Messer liefern – außer seiner
heißgeliebten Schwester. Das ist unsere Chance.«
Sie läutete nach der Nachtwache und ließ Rik hinunter
zu den Ställen bringen.
Rik wartete, bis er allein war, dann formte er aus der
Decke mit gestopftem Heu eine schlafende Gestalt. Ihm
war klar, daß entweder Elgaine selbst oder eben die andere
Partei die Nacht nicht verstreichen lassen würden, ohne
sich seiner anzunehmen. Sie hatte keinen Grund, seiner
Räubergeschichte zu glauben – und die Räuber wußten,
daß er den Ring noch hatte – zumindest bis zu dem
Zeitpunkt seines Eintreffens im Kloster. Rik sah sich um
im Halbdunkel des Stalls. Außer seinem eigenen Gaul
stand dort nur noch ein Rappe, wahrscheinlich das Pferd
des Hoffräuleins. Er fand keine Leiter, also sattelte er
seinen Gaul und bestieg ihn, führte ihn an eine Säule und
zog sich an ihr hoch. Als er am Querbalken Halt gefunden
hatte, stieß er sich von dem Tier ab und schwang sich nach
oben in das Heu. Er hatte vor, wachend das kommende
Geschehen von hier aus im Auge zu behalten -
Rik erwachte, weil ihm die hochstehende Sonne ins
Gesicht schien. Hatte Elgaine ihn nicht schon vor
Tagesanbruch –? Voller Argwohn sprang er hinunter, sein
Pferd stand immer noch da samt dem Sattelzeug, das es
die ganze Nacht über hatte ertragen müssen. Jetzt bei
Tageslicht sah er auch die Leiter, sie stand angelehnt nicht
weit von ihm. Rik rannte über den Klosterhof, stieß auf
verstörte, aufgeregte junge Nonnen. Sie führten ihn zur
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