Das Kreuz der Kinder
langsam
voran, der Sturm hatte es arg mitgenommen, und der von
den Insassen gewählte Kapitän, Alekos, der Schankknecht
aus der Hafentaverne, hatte alle Mühe, Kurs und Anschluß
zu halten.
Neben ihm stand nörgelnd Luc de Comminges und gab
sich alle Mühe den Alekos zum Steuermann zu
degradieren, denn die ›Führung‹ des Schiffes müsse ihm
vorbehalten bleiben. Dabei gab es nichts zu
kommandieren. Der Vicarius litt sichtbar darunter, daß es
ihn ausgerechnet auf diese Planken verschlagen hatte. Sein
Platz sollte, jetzt mehr denn je, an der Seite – oder an der
Stelle – jenes ›Propheten minderen Geistes‹ sein, so wie er
Stephan inzwischen nannte, vor allem auf dem Schiff des
Mannes, den sie den ›Eisernen Hugo‹ hießen und der
offensichtlich das Sagen hatte. Daß der ihn mit Gewalt auf
die Müllinsel entführt und zur Fronarbeit gezwungen
hatte, schrieb Luc und hatte dabei nicht einmal unrecht –
einer Intrige des Monsignore zu. Letztlich hatte Luc
Verständnis für gewisse Methoden der Mächtigen, also
trug er dem ›Eisernen‹ nichts nach – außer daß sich unter
dessen Fuchtel – statt seiner – dort dieser erbärmliche
Taschendieb Étienne breitgemacht hatte und es sich
wohlgehen ließ an der üppigen Tafel des poltrigen
Handelsherrn, während er hier abgenabelt vom Geschehen
vor sich hindarbte und die unverwüstliche Zuversicht des
Alekos ertragen mußte. ›Glücksschiff‹ nannte der Grieche
den lahmen Kahn, nur weil er gekentert und wieder
aufgerichtet war!
Tatsächlich war das Schiff Hugos das einzige, das seine
Vorräte samt einem Fäßchen Wein durch Sturm und
Wellen gerettet hatte, und sein stolzer Besitzer, ansonsten
ein grober Klotz, ließ Stephan, seinen ›Ehrengast‹,
großzügig am reichlichen Mahl teilhaben. Wozu sollte er
den tüchtigen Propheten, dem er schließlich die kostbare
Fracht verdankte, nicht bei guter Laune halten, bis -
Stephan gefiel die bevorzugte Behandlung, man trug ihm
seinen Baldachin nach, wohin immer er sich an Bord
begab. Er sah sich schon als zukünftiger König von
Jerusalem und malte seinem ›Wohltäter‹ schmatzend aus,
daß ihm nach Erreichen des Ziels zumindest der Titel
eines ›Obersten Generals der himmlischen Heerscharen‹
oder ›Großadmirals der Flotte vom Heiligen Grabe‹
zustünde. Der bärbeißige Gastgeber gab sich Mühe, sein
Entzücken zu zeigen. Die Sonne brannte erbarmungslos
auf die kleine Flotte hernieder, im Dunst konnte man die
Westküste Siziliens erkennen. Die harten Augen des
›Eisernen Hugo‹ suchten immer wieder den Horizont ab,
nicht nach Regenwölkchen, sondern nach den Silhouetten
von Segeln einer ganz bestimmten Art.
Sein Partner und Vize ›Guillem das Schwein‹ fühlte sich
weit weniger hochgemut. Von seinen drei Müllbarken
hatte er nur die retten können, die er selbst mit
seemännischem Geschick durch das Unwetter gesteuert
hatte.
Leid tat es ihm um die verlorene Fracht, sie hätte ihm
einen zusätzlichen Batzen einbringen können, denn
schließlich war es seine glorreiche Idee gewesen, die
morschen Frachtkähne auch noch zum Einsatz zu bringen.
Jetzt würde er froh sein müssen, wenn Hugo dennoch mit
ihm den Beutelohn teilte. Außerdem verspürte der
Fettwanst Hunger. Proviant hatte er in der knappen Zeit,
die ihm geblieben, nicht an Bord nehmen könnten. Er
verschlang die jungen Leiber mit seinen Blicken. Wäre
nicht ein Rest christlicher Moral ihm haften geblieben,
hätte Guillem sich durchaus vorstellen können, zwar nicht
seine Zähne in blutiges Fleisch zu schlagen, aber sich den
knurrenden Magen mit einer feinen gekochten Arschbacke
zu füllen oder einem gebratenen zarten Schenkelchen –
das Lutschen und Saugen von weichen Brüsten kam in
seinen Freßphantasien nicht vor, eher schon ein schlank
gebogener Hals, ein Öhrchen – Sein Auge ruhte auf der
weißen Haut von Blanche.
Die Dirne hockte zusammen mit dieser Melusine samt
ihrem Galan Pol in einem Nest aus aufgerollten Schiffstau
direkt vor seiner Nase – er hörte sie kichern, sie machten
sich wohl lustig über ihn. Diese Blanche hätte er gerne, sie
schien auch nicht abgeneigt. Aber wo – und wie? Mit
seiner Männlichkeit war es nicht so weit her, daß er sie in
aller Öffentlichkeit – Natürlich hätte er den Befehl geben
können, daß ab sofort alle Männlein und Weiblein
getrennt an Deck zu lagern hätten, aber auch dann wär’ er
keinen Schritt weiter, denn die Comtesse de
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