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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Cailhac
würde erst recht wie eine Greifin ausgerechnet dieses
weißhäutige, weichfleischige Luder in ihren Schutz
nehmen. Resigniert und kurzatmig wandte der fettleibige
Guillem seinen Blick von dem Bild ab und dem Meer zu,
über das er den schwerfälligen und dazu noch völlig
überladenen Kahn seinem Ziel entgegensteuerte, wobei er
immer wieder einnickte. So sah er auch nicht, daß Blanche
das schützende Nest verließ, um ihrer Herrin die
Gelegenheit zu geben, mit Pol allein zu sein. Doch den
Bauernsohn aus dem Languedoc verwirrte der plötzliche
Umstand, den er sich niemals zu erträumen gewagt hatte.
    »Denkt Ihr immer noch an Euren Ritter, Melou?« fragte
er zaghaft und völlig unpassend, und Melusine strich
leicht mit ihrer Zunge über die Lippen.
    »Ich will nicht ewig auf jemanden warten, Pol –.«
entgegnete sie herausfordernd, doch der begnügte sich
damit, ihr zärtlich den Arm zu streicheln.
    »Daß er nicht erschienen ist –.«, sinnierte er, »will nicht
besagen, daß er Eurer nicht wert –.«, entschuldigte er das
Versäumnis des großen Unbekannten.
    Melusines Augen blitzten wütend: »Es gibt Männer, die
sind zur Stelle, wenn eine Frau ihrer bedarf .«, sie entzog
Pol rüde ihren Arm, »andere merken es nicht – oder zu
spät!«
    Blanche kam zurückgesprungen, denn ›das Schwein‹
war im Schlaf aufgeschreckt, gerade als sie an der Reling
ihren Rock hob, um zu brunzen. Der Ruderbalken war
dem Fleischberg schmerzhaft in die Seite gefahren, seine
Barke war vom Kurs abgekommen. Als letzter der
langgezogenen Flotte hatte er gerade die äußerste Spitze
Siziliens passiert.
    Wenigstens küssen hätt’ er mich können! ärgerte sich
Melusine, ließ aber den Arm, den sie schon bereitwillig
um Pols Nacken geschlungen hatte, dort verharren.
    »Manche brauchen länger –.«, vertagte sie ihren Vorsatz,
und Blanche bezog es errötend als Rüge auf sich, sie hätte
ruhig ausgiebiger pissen können.
    In der drückenden Schwüle war ›das Schwein‹ schon
wieder eingeschlafen. So sah keiner von ihnen das
Auftauchen der ersten spitzen Segel am Horizont.
    Der ›Eiserne Hugo‹ hatte sie sofort bemerkt. Er wollte
auf die schnell heranfliegenden leichten Segler zuhalten,
aber das war nicht nötig, schon schossen um die Felsnase
der Insel weitere Boote der Sarazenen.
    »Piraten!« gellten bereits die entsetzten Schreie von den
nachfolgenden Schiffen, beide maurischen Geschwader
nahmen sie in die Zange, wobei sie weit
auseinanderfächerten, damit ihnen auch keines der Schiffe
entkommen sollte. Hugo kam ihnen entgegen und scharte
seine kleine Flotte eng um sich.
    »Sklavenhändler!« Étienne hatte die Lage sofort erkannt,
dafür bekam er von Hugo einen Hieb ins Gesicht. Der
ehrbare Kaufmann aus Marseille ließ jetzt die Maske
fallen. Seine Mannschaft stellte sich plötzlich drohend
gegen die verstörten Kinder. Stephan hockte fassungslos
unter seinem Baldachin, einige riefen ihn um Hilfe an,
doch jeder Widerstand schien zwecklos, denn schon
enterten die ersten Sarazenen die Schiffe und trieben die
Kinder brutal in deren Mitte zusammen.
    »Das Gesindel führt sich auf, als sei’s ein Überfall!«
flüsterte Alekos am Ruder seines ›Glücksschiffs‹ zu dem
neben ihm kauernden Luc, der zitterte am ganzen Körper
wie Espenlaub; »dabei ist alles abgesprochen«, erfaßte der
Schankknecht die Situation. »Diese Abfallhändler von
Tauris haben uns verkauft!«
    Das brachte den Vicarius wieder auf die Beine, er sprang
den sich über die Reling schwingenden Sarazenen eilfertig
entgegen. »Legt alle Ketten!« wies er sie herrisch an und
zeigte zuvorderst auf den Steuermann, dann auf den Rest
der sich ängstlich Drängenden. »Sie haben es nicht anders
verdient!« rief er. »Sie sind Euer!«
    Die Piraten waren verblüfft, aber sie folgten den
Anweisungen. Keiner legte Hand an Luc.
›Guillem das Schwein‹ spielte seinen Fahrgästen
hingegen die Rolle des Unschuldigen derart übertrieben
vor, daß er fast Opfer seiner weinerlichen Komödie wurde.
Winselnd warf er sich den Sarazenen zu Füßen, flehte um
Gnade, was die Piraten fast dazu brachte, den alten
Fettwanst abzustechen, denn er wäre auf keinem
Sklavenmarkt der Welt verkäuflich gewesen. Nur das
Einschreiten Hugos beendete das absurde Theater. Es hatte
immerhin bewirkt, daß Melusine Pol mit sich auf die
unbewachte Bordseite zerren konnte.
»Eine Cailhac kriegen die nicht lebendig!« sprach sie
gefaßt.

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