Das Kreuz der Kinder
Mann im
Staate!«
Timdal hörte aufmerksam zu. »Deswegen trifft sich
Ahmed Nasrallah auch gerade mit dem Ouazir al-Khazna
in Bejaia – und, solange er sich auf Reisen befindet…« –
der Moslah fixierte den Mohren verächtlich -»ist der Emir
ausbruchsicher aus dem Verkehr gezogen, mindestens so
gut wie hier Eure Freunde in den Verliesen unter dem
Qasr al-Amir.«
Was der geschwätzige Majordomus dem Mohren nicht
verriet, war, daß zur gleichen Stunde den beiden
Kerkerinsassen eröffnet wurde, sie hätten nun Zeit genug
gehabt, eine Entscheidung herbeizuführen. Sollten sie
seinem Gebot – seinem Angebot – nicht gefolgt sein,
würde er sie bei Sonnenaufgang gesetzeskundigen, weisen
Männern vorführen lassen, damit diese ein Urteil fällten,
das dann auch sofort vollstreckt würde. Der Moslah
versuchte, sich auf diese Weise abzusichern, obgleich ihm
schwante, daß – wie er sich auch verhielt, ob Fehlurteil
oder nicht – er es nicht beiden recht machen konnte, weder
seinem ›Noch-Herrn‹ Kazar Al-Mansur noch seinem
vielleicht künftigen, dem Eunuchen.
Zu allem Überfluß kam ihm bei dem Gedanken an die
bevorstehende Hinrichtung auch die siedendheiße Sorge
um seinen eigenen Hals: Wenn der Fleischberg obsiegen
sollte, würde er an die bisherigen Dienste des ›baouab‹ nur
ungern erinnert werden – Der Moslah versuchte, die sich
aufdrängenden Bilder wegzuwischen, es gelang ihm
insofern, daß er sich überraschend trotzig entschloß, dem
Eunuchen einen solchen vollständigen Triumph nicht zu
gönnen, mochte der Scharfrichter seines Amtes walten,
aber der kleine Prinz sollte das Licht dieser Welt erblicken
und das Leben gewinnen! Gerade dem Eunuchen zum
Tort! So schickte der Moslah sofort ins Dorf, um die beste
Hebamme in die Festung zu holen, damit sie und ihre
Helferinnen im Harem alles für die bevorstehende Geburt
vorbereiteten. Auch sollten die Wächter nach einer jungen
Frau Ausschau halten, die erst kürzlich niedergekommen
sei und als Amme dienen könne. Sie und ihr Kind seien
ebenfalls im Harem einzuquartieren. So kam die
freundliche Ma’Moa, eine junge Schwarze aus dem
Sudan, in den Palast. Sie hatte pralle Brüste, die mehr
Milch spendeten, als sie für ihr eigenes Töchterchen Aisha
benötigte.
Timdal, schon des längeren besorgt über die lasche
Vorsorge des Majordomus, nahm erfreut dessen plötzliche
Hektik zur Kenntnis.
Der Moslah wandte sich wieder an seinen einzigen
Zuhörer. »Wenn ich nichts unternehme –.«, suchte er
Timdals Verständnis, »dann bin ich selber das Opfer.«
»Vielleicht bildet Ihr Euch das nur ein«, hielt ihm der
Mohr treuherzig entgegen, »in Wahrheit schert es die
Betroffenen ausgenommen, die hier unter der Erde hocken
–, keine Schwalbe hoch oben am Himmel, was Ihr auf
Mahdia treibt.«
Der Moslah lachte bitter. »Ihr vergeßt Tunis und seinen
Gefangenen –.«
Er zog Timdal näher zu sich heran. »Die geheime
Botschaft, die Rik nichtsahnend überbrachte –.« flüsterte
der Grottenmolch heiser, »ließ an Klarheit nichts zu
wünschen übrig« – dem Moslah war es spürbar
unangenehm die Drohung in Worte zu fassen. »Weigere
ich mich –.«
Er schluckte das Wesentliche, nämlich das Objekt des
Auftrags, »– wird man mir auf des Emirs Verlangen den
Kopf abschneiden!«
»Wieso der Emir, wieso Euch!?«
Der Mohr verstand die Welt von Mahdia nicht mehr.
»Das wird der Preis sein für des Emirs Freilassung –.«,
raunte der Moslah düster, doch Timdal mochte sich nicht
geschlagen geben.
»Also schickt mich nach Tunis mit der Nachricht, Ihr
hättet dem Befehl gehorcht –?!«
Das verschwörerische Flüstern des Moslah geriet zum
Krächzen, ein Hustenanfall drohte ihn zu ersticken. »Ohne
abgeschnittenen Kopf im Korb braucht Ihr die Reise gar
nicht erst anzutreten!«
Ein, zwei schrille Lacher lösten den Krampf, der Moslah
wackelte dabei bedenklich mit dem Kopf.
Timdal überlegte fieberhaft, der Moslah befand sich
offensichtlich in einem Zustand des Irreseins, zwischen
dumpfem Verfolgungswahn und bedrohlicher
Geschäftigkeit eines aufgescheuchten Hornissenschwarms,
so daß jede seiner Handlungen gefährliche Folgen haben
konnte, auch wenn sicher nicht jedes seiner Worte auf die
Goldwaage zu legen war. Der Moslah hatte sich längst in
seinen Gespinsten von Intrigen und Lügen derart
verstrickt, daß er sich aus eigener Kraft nicht mehr zu
befreien wußte. Am liebsten hätte Timdal ihm eine Kanne
mit einem gut
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