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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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gewürzten warmen Sud verabreicht und
dann ins Bett gesteckt – der Mohr dachte an Mandragora
und ›strychnos cepaeos‹ –, doch wußte er ihre arabischen
Namen nicht. Auch Schierling kam ihm in den Sinn,
vielleicht sollte er die Hebamme fragen, die bald
eintreffen mußte. Er wollte allerdings den Trunk nicht
überdosieren, denn er mußte damit rechnen, daß der
Moslah die Kanne nur leerte, wenn er ihm Gesellschaft
leistete -
Timdal konnte keines seiner Vorhaben umsetzen, denn
der Majordomus ergriff grinsend die Initiative, zwei
baumlange Wächter traten ein, und Timdal wurde in ein
Turmgemach geführt, das sonst als Wachstube diente,
denn es wies ein karges Feldbett auf. Dort wurde er für die
restliche Nacht eingeschlossen.
    Der Morgen graute schal durch die hohen, schmalen
Schießscharten des Verlieses, als die beiden Gefangenen
geweckt wurden. Ihnen wurden eiserne Handschellen
angelegt, die jede an einer Kette hingen, von ihren
schweren Fußfesseln wurden sie hingegen befreit. Dann
zerrten die Wächter sie aus dem Säulengewölbe,
durchquerten mit ihnen die düsteren Kasematten, bis sie
zu einer ansteigenden Rampe gelangten. Über der
Mauerkrone, zu der sie hinführte, sahen Rik und Pol zum
ersten Mal wieder den milchigblauen Himmel des
anbrechenden Tages. Ohne sich ziehen oder drängen zu
lassen, begannen sie wortlos den Aufstieg.
    Auch der Mohr war unsanft aus schlechtem Schlaf
gerissen worden, in den er – trotz aller Mühen, sich
wachzuhalten – gefallen war. Die beiden Wächter nahmen
Timdal in die Mitte und stiegen mit ihm die Wendeltreppe
hinab. Aus den kleinen Fenstern vermochte der noch
Schlaftrunkene immer wieder einen Blick auf den
Innenhof des Prinzenpalastes zu erhaschen. Aufgeregte
Frauen trugen Schüsseln mit dampfendem Wasser und
Tücher in den Harem. Die Wehen hatten wohl eingesetzt.
Wie gern wäre Timdal jetzt bei seiner Herrin gewesen,
hätte ihr beigestanden in der schweren Stunde – und wenn
er nur Melusines Hand gehalten hätte!
    Doch seine Wächter ließen ihn nicht einmal verharren,
sondern schoben ihn durch eine Pforte in den Garten des
Harems, den er zuvor noch nie betreten hatte. Früchte
leuchteten aus dem Blattwerk, hohe, weit auskragende
Magnolien spendeten Schatten, sogar eine Voliere,
angefüllt mit zwitschernden Vögeln, entdeckte der Mohr,
während seine Wächter achtlos an den sprudelnden
Springbrunnen und murmelnden Bächlein
vorüberstampften. So näherten sie sich der Außenmauer
der Großen Moschee. Dort wo das Aquädukt, das die
beiden Paläste und den Garten mit Wasser versorgte, im
Turm der Zisterne mündete, öffnete sich ihnen eine
verborgene Pforte, und sie traten in den weiten Innenhof
der Masjid al-Mahdi. In der Moschee verrichteten drei alte
Männer ihr Morgengebet, das Salatal-Fajr. Timdal wurde
von seinen Bewachern angedeutet, es ihnen gleichzutun.
Dann stiegen die Weißbärtigen würdigen Schritts die
Treppe hinauf zu den Zinnen des Wehrumgangs, der die
Moschee mit der Ringmauer vereinigte und weiterführte
bis auf die Krone des Bab Zawila. Timdal hingegen wurde
durch das Hauptportal hinausgeführt in Richtung des
langen Torgangs, der mit sieben Fallgittern den einzigen
Weg darstellte, auf dem Mahdia landseitig betreten oder
verlassen werden kann.
    Trotz der frühen Morgenstunde – die Sonne war noch
nicht aufgegangen – säumten Menschen schweigend die
Straße zum Bab Zawila. Ihre Blicke hielten sich jedoch
nicht mit dem Mohren auf: Timdal hatte einen
unheimlichen Begleiter bekommen. Hinter ihm trugen
zwei weitere Männer einen grob geflochteten Korb,
bauchig wie eine Tabla, schlank wie eine Amphore. Dem
Mohren drohten die Beine den Dienst zu versagen, der
Korb konnte gewiß mehr als nur einen Kopf aufnehmen.
Sollte auch er jetzt sterben? Der lange Gang durch das
eisenstarrende Torgewölbe schien ihm endlos, das helle
Licht am Ende des Weges wenig hoffnungsvoll. Die
baumlangen Wächter packten ihn fester unter den Armen,
als der Mohr sich ängstlich nach dem ihm folgenden Korb
umdrehte.
    »Ihr werdet nun bei diesem ›Gefäß des höchsten Sinnes‹
Aufstellung nehmen«, erklärte ihm beruhigend der eine,
»und Euren Blick fest hinaufrichten zur Krone des Bab
Zawila.«
    Sie trugen den Zitternden mehr, als daß sie ihn schoben,
hinaus auf den Vorplatz des; Tores. Der düstere Korb
wurde neben ihn gestellt, der Deckel schon vorsorglich
geöffnet. »Das Haupt, das Euch vor die Füße

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