Das Kreuz der Kinder
Unbeherrschtheit lächelnd vor sich selbst als ›Opfergabe‹
verbrämte, vielleicht sogar den Verlust des wertvollen
Schmucks bereute – immerhin war es der Ring eines
Königs! –, da sah er zu seinen Füßen, im klaren Meereswasser unter sich, den schmalen Körper Karims wie eine
Forelle zwischen den Felsen – Karim war ein vorzüglicher
Schwimmer und Taucher, dafür hatte er frühzeitig gesorgt
– So betrachtete Rik das Bild nicht mit Sorge, sondern mit
angespanntem Interesse, ob es dem Jungen wohl gelingen
würde, zwischen den bunten Kieseln und algenbewachsenen Steinen den Goldreif des Staufers zu finden?
Ausdauernd zog der sehnige Körper seine Kreise über der
gläsernen Helle des Meeresgrunds, nur gelegentlich
auftauchend, weniger, um prustend Luft zu holen, als
vielmehr anhand der ihn umgebenden Felsklippen seine
Position zu verifizieren, dann glitt er wieder in die Tiefe,
die Kreise, die Karim um die errechnete Stelle legte,
gerieten immer konzentrischer. Rik war stolz auf seinen
Zögling, dessen Hand jetzt zum Boden hinabschoß. Er
mußte wohl fündig geworden sein, denn Karim ließ sich
hochtreiben zur Oberfläche, durchbrach den
Meeresspiegel triumphierend mit geballter Faust.
Rasch war Rik zurückgetreten hinter die Mauerzinne,
denn Karim sollte ihn, den Zeugen, nicht entdecken und
sich dann veranlaßt sehen, ihm das Kleinod etwa
zurückzuerstatten. Der Junge sollte ruhig seine Beute
behalten, ihm würde der Ring vielleicht Glück bringen…
Karim entschwand mit kräftigen Schwimmstößen aus
Riks Blickfeld, geriet alsbald in Vergessenheit und der
›Erzieher des Prinzen‹ starrte wieder auf das Meer--Melusine! – Manchmal gelang es ihm zu verdrängen, daß
sie hinter ihm unter den Steinen lag. Er träumte sie in die
Tiefe der See, die dunkel dort begann, wo das sich sanft
wiegende Glas zwischen den Klippen abstürzte dort lebte
die nie erreichte Geliebte nur für ihn, war sein – eins mit
seinem Sehnen…
Rik vernahm sich rasch nähernde Schritte in seinem
Rücken: Kazar Al-Mansur! Ohne in seinem schnellen
Gang innezuhalten forderte der Emir ihn auf, ihn bis zur
Moschee zu begleiten. Rik fügte sich, obgleich ihm nicht
danach war, sich jetzt Vorhaltungen über den Streit in der
Bibliothek anzuhören. Aber Kazar hatte sich ganz andere
Fragen zum differenzierten Verhalten des Abendlandes
aufgebürdet.
»Der deutsche ›Kreuzzug der Kinder‹ ist wesentlich
später aufgebrochen, kommt aber viel zügiger vorwärts als
die Haufen aus Paris?«
Rik wollte sich auf keinen Disput einlassen. »Das liegt
in der Mentalität der Teilnehmer«, wehrte er ab, »die
Deutschen betrachten es eher als einen Heereszug, wenn
auch von einem Knaben angeführt –.«
Dem Emir war wohl jede Antwort recht, er wollte seine
vorgefaßten Meinungen loswerden. »Das trifft dann also
im Wesen auch auf einen jungen Herrscher wie Friedrich
zu, der zielstrebig nach der Kaiserwürde griff –.«
Rik war unklar, worauf Kazar hinauswollte, »– das käme
einem König von Frankreich gar nie in den Sinn!«
wiegelte Rik überlegen lächelnd ab. »Zumal ein schwer
darstellbarer Erbanspruch auf das Römische Imperium!«
»Dennoch müßte es beiden Herrschern aufstoßen«, fuhr
der Emir nach kurzer Pause fort, »daß aus ihren Reichen
Tausende von Kindern wie von einer Tarantel gestochen
losrennen, sich begeistert über vereiste Berge schinden,
die sie mit Kälte zerschneiden, mit Steinen zerfetzen –.«
Kazar war jetzt richtig in Fahrt gekommen, wenn er auch
seine Gangart verlangsamte, stehenblieb, um ja den
anderen im Griff zu halten, »– dumpf drängen sie ins
Meer, wo sie begierig ertrinken –??«
Er verstellte Rik den Weg, um dessen Antwort
einzufordern. »Erklär es mir!«
»Die Hoffnung treibt sie, die Hoffnung nicht zu
verderben, nicht unterzugehen –.«
Er war sich selbst nicht sicher. »Die Herausforderung,
die schweren Proben zu bestehen, sich zu beweisen –?«
Das wollte der Emir nicht hören. »›Arraqas mula‹!« rief
er ärgerlich aus. »Sie sind von einer furchtbaren,
ansteckenden, unheimlichen Krankheit befallen, ein
Veitstanz, der das Hirn, eine Droge, die den Verstand
ausbläst wie eine Kerze!«
Rik hielt seinem fordernden Blick stand. »Wenn Ihr es
schon so genau wißt, was fragt Ihr dann noch!?«
Der Emir nahm sich kleinlaut zurück. »Was ist es also?
Der christliche Glaube?«
Rik schüttelte traurig den Kopf. »Läßt man der Hoffnung
keinen
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