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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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die Hand auf die Schulter.
»Vorsicht können wir nur im kleinen, im engsten Kreis
walten lassen, indem wir die Pergamentblätter des
Manuskripts des Nachts wohl verwahren – ohne große
Ankündigung!«
»Laßt mich diese Aufgabe übernehmen!« sagte Rik,
nicht als Frage, denn er war sich des vollen
Einverständnisses gewiß.

aus der Niederschrift von Mahdia
Das Wunder von Marseille
Bericht des Alekos
    Lang auseinandergezogen segelte die kleine Flotte des
›Eisernen Hugo‹ gen Süden. Das vorderste der vier
Schiffe, auf dem sich auch Stephan und sein engstes
Gefolge unter der persönlichen Obhut des stolzen Eigners
befand, hatte schon die Südwestspitze Sardiniens erreicht,
als sich Hugo entschloß auf die Nachzügler zu warten. Er
ging in Sichtweite der Insel San Pietro vor Anker, ohne
aber Fuß an Land zu setzen. Lediglich Trinkwasser wurde
herbeigeschafft. Das fünfte Schiff, das gekenterte, hatte
schnell den Anschluß gefunden, nachdem es gelungen
war, den Mast wieder zu errichten und die Segel zu setzen.
Auf ihm befanden sich Luc, der Vicarius, und Alekos, der
Schankknecht. Die drei Müllbarken des Guillem hingegen
machten nur langsame Fahrt, nicht nur, weil sie
hoffnungslos überfüllt waren – darin glichen sich alle, mit
Ausnahme des Admiralsschiffes –, sondern weil die
notdürftige Takelage und die zusammengestückelten Segel
selbst bei normaler Wetterlage ständig in Fetzen gingen.
Auf diese drei ›schwimmenden‹ Mülltonnen verteilten
sich Melusine und Pol auf dem einen, Étienne auf dem
nächsten, während Blanche an Bord des ›Schweins‹
geraten war.
    Als sie in Sichtweite der vor San Pietro harrenden
Schiffe kamen, erblickten auch die seemännisch
Unerfahrenen hinter den drei plumpen Barken eine erst
graublaue, bald tiefschwarze Wolkenwand, die sich
rascher heranschob, als daß noch Zeit gewesen wäre, in
den Buchten der Insel Schutz zu suchen. Dann brach
schon der Sturm mit Donnern und Blitzen, sich
blitzschnell auftürmenden Wellen über die verstreute
Flotte herein. Wie unschwer vorauszusehen, griff er sich
als erstes die dickleibigen Barken des Guillem. Das fette
›Schwein‹ riß sofort das Ruder an sich, es ging jetzt um
die eigene Haut, seine turbulente Vergangenheit als
sizilianischer Freibeuter kam ihm hoch wie der Inhalt
seines Magens, aber grunzend steuerte er seine
vollbeladene Barke durch die Abgründe der Wellentäler,
über die gischtigen Kämme der kochenden Wogen.
    Die beiden anderen Mülltonnen wurden von Brechern
überflutet, aus deren Schaum nur noch zersplitterte
Wanten und hilflos auf den haushohen Wellenbergen
treibende Leiber auftauchten. Melusine hielt Pol über
Wasser, als der ihr zugeschrien hatte, er könne nicht
schwimmen; sie bekam eine Tonne zu fassen, die vor
ihnen in den Wellen tanzte, es gelang ihr gerade noch, sie
in Pols Arme zu pressen, da wurde sie von ihm
fortgerissen. Sie sah unweit von sich Étiennes Kopf
auftauchen, der sich an einem Tau festklammerte, das ihm
jemand aus dem Schiff des Admirals zugeworfen hatte –
Melusine sorgte sich um Pol und kämpfte sich zurück, sie
war weit und breit die einzige Schwimmerin, rund um sie
herum wurden nahezu alle, die kein Stück Holz zu fassen
bekommen hatten, schnell Opfer der tosenden Fluten. Sie
hatte Pol mit seinem Faß gerade entdeckt, er war zwischen
die ausgefahrenen Ruder des Seglers getrieben, auf dem
Alekos hockte, wie alle anderen Insassen an die Reling
oder sonst einen Halt geklammert, im festen Glauben, daß
ein einmal gekentertes Schiff im nächsten Sturm
unsinkbar sei.
    Melusine sah, wie Pol sein rettendes Faß losließ, um sich
an einem der Ruderblätter festzuhalten, da hackte das
flache, glatte Holz nach ihm wie eine Axt, verfehlte ihn
zwar um Haaresbreite, zertrümmerte aber die kleine
Tonne. Melusine schoß herbei und drückte mit letzter
Kraft Pols Kopf aus dem gurgelnden Wasser, von dem sie
jetzt auch zu schlucken bekam – ein zugeworfenes Tau
rettete beide in letzter Sekunde. Es war Blanche, die
›Guillem das Schwein‹ dazu bewegt hatte.
    Der Sturm ebbte so plötzlich ab, wie er über sie
hereingebrochen war. Der ›Eiserne Hugo‹ und sein
Vizeadmiral besahen sich das Ergebnis. Die
untergegangenen zwei Barken schufen – außer ihrem
Verlust, der zu verschmerzen war – keine Probleme, fast
alle Insassen waren ertrunken. Das war ärgerlich, aber nun
auch nicht mehr zu ändern. Inzwischen war die Nacht
hereingebrochen.

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