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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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die gut vorbereitete Flucht mit dem
Einsatz seiner Garde. Er bot mir an, mich zu beteiligen
und das tat ich dann auch, denn der Lohn waren eine
Rüstung, Helm und Schwert. Auch mein Pferd durfte ich
gegen ein frisches eintauschen, denn das brave Tier, das
mich über Alpen und Apennin bis nach Assisi geschleppt
hatte, bedurfte dringend der Erholung – wenn nicht des
Gnadenbrots – mehr denn sein Reiter –.«
»Mir scheint es«, erklärte der Emir ungerührt, »das
gesamte Abendland war in jenem Jahr von einer seltsamen
Epidemie heimgesucht, bei der die Kinder plötzlich ihren
Eltern davonliefen –?!«
»Es war das Verlangen –.«, meldete sich Daniel zu
Wort, »den Erwachsenen zu zeigen, daß die Jugend nicht
länger gewillt war, die allgemeine Gleichgültigkeit, die
bequeme Untätigkeit im Glauben hinzunehmen –.«
»Wieso?« entgegnete der Emir scharf. »Es wurden doch
Kriege ohne Unterlaß geführt, Venedig plündert Byzanz,
Rom läßt den Süden Frankreichs verwüsten, die Genuesen
prügeln sich mit den Pisanern, die Templer mit den
Johannitern – alles beflissene Streiter – im christlichen
Glauben vereint!«
Daniel mochte den Spott nicht hinnehmen. »Es waren
auch diese unaufhörlichen Bruderkriege, die den Kindern
unerträglich geworden waren, diese Habsucht, diese
›ritterliche‹ Rivalität, in der es um schnöde Vorteile ging,
um einen hohlen Ehrbegriff! – Mit dem Glauben und der
Lehre unseres Herrn Jesus Christus hatte das alles nichts
mehr gemein!«
Er schwieg erschrocken, weil er vielleicht in seinem
Eifer zu weit gegangen, den Emir mit seinem
Glaubensbekenntnis vor den Kopf gestoßen hatte.
Doch Kazar Al-Mansur nickte zustimmend. »Eine
merkwürdige Religion, in der – statt der Weisen und
Ulamat – unreife Kinder sich zu ihrer Rettung aufmachen
–.«
»Wir fühlten uns nicht als ›Kinder‹«, sagte ›Armin‹,
»sondern aufgerufen, ein neues Leben zu suchen, eines,
das uns Sinn versprach –.«
»Und fielt auf die erstbesten Betrüger rein!« schloß der
Emir bitter den Diskurs. »Ich bin doch der Meinung,
werter Freund Rik, daß wir das bisherige Verfahren beibehalten sollten, in dem der ›Chronist‹ berichtet und der
Katib alles aufschreibt. Es geht zuviel an Wesentlichem
verloren, wie mir unsere Diskussion gerade gezeigt hat.«
Er hob die Teestunde im Garten abrupt auf.
»Was war nun mit dem Ring?!«
Timdal barst vor Neugier.
»Den drückte mir Oliver in die Hand, als ich Assisi
verließ, um im Auftrag des Bischofs nach Rom zu gehen.
Oliver war sich sicher, daß ich dort auf Elgaine stoßen
würde, die er nicht vergessen hatte, aber wohl nicht
wiederzusehen wünschte. Andernfalls sollte ich ihn der
Königin Constanze zukommen lassen. Wie er sich das
vorstellte, sagte er nicht. Ich ritt los, traurig, den Gefährten
zurückzulassen.«
»Bevor Ihr nun Rom erreicht«, bestimmte der Emir,
»habe ich ein Recht auf den Fortgang der Geschichte, die
unser Dichter Alekos als ›Das Wunder von Marseille‹
betitelt hat!«

aus der Niederschrift von Mahdia
Das Wunder von Marseille
Bericht des Alekos
    Kurz vor dem Einlaufen der drei Müllbarken hatte sich
Luc aus den Abfällen geschält, die im Kiel notdürftig
abgedeckt vor sich hinfaulten, auf den darüber gelegten
Bohlen stützten die Ruderer ihre Füße ab. Der Vicarius
hatte es einfach nicht mehr ausgehalten, obgleich Pol ihm
zuzischte, ihre Flucht ausgerechnet jetzt nicht zu verraten.
Doch keiner von der Mannschaft nahm an der verdreckten
Gestalt Anstoß. Ihr eigener Habitus unterschied sich nicht
allzu sehr von den stinkenden Lumpen Lucs, sie hielten
ihn wohl für einen der ihren. Genau das mißfiel dem
Vicarius, ihn stach der Hafer, so trat er vor ›Guillem das
Schwein‹ und stellte sich unter vollem Titel und als die
Persönlichkeit vor, der die geistliche Führung des
gesamten Kreuzzugs oblag, zumal er der einzig
autorisierte Vertreter des Inquisitors Gilbert de Rochefort
sei. ›Das Schwein‹ hatte die jämmerliche Figur gar nicht
wiedererkannt, erst der Hinweis auf den Monsignore
brachte ihn darauf, daß Luc einer der beiden entflohenen
Häftlinge war. Er kniff seine wasserblauen
Schweinsäuglein zusammen und grunzte erregt, was Luc
fälschlicherweise für freudige Zustimmung nahm. Um
sich gleich lieb Kind bei dem stiernackigen Fettwanst zu
machen, denunzierte er als erstes seinen Gefährten, der
noch unten im brackigen Kielwasser hockte. Das Grunzen
steigerte sich vor

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