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Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Scharf
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Ärztin oder Krankenschwester?“ fragte MacGregor das zierliche Fräulein. – „OP-Schwester, Monsieur.“
    „Sehr gut, wir werden, wie es scheint, operieren müssen. Wie heißen Sie, Mademoiselle?“

    „Claire Fontaine, Monsieur.“

    „Na schön, Claire, das ist meine Lebensgefährtin,“ wobei er auf Francis deutete, „ihr werdet mir beide assistieren, falls es dazu kommen sollte. Jetzt aber erst mal zur Patientin.“

    Fräulein Fontaine nickte, ebenso Francis, und die Gruppe setzte sich zum Wohncontainer der Familie Bühler in Bewegung. Dort angelangt, mußte der Arzt dieselbe Diagnose stellen wie zuvor der Zweite Offizier: akute Blinddarmentzündung. Es wurde beschlossen, Luise Bühler ins Krankenzimmer des Schiffes zu bringen und sie dort unverzüglich einer Notoperation zu unterziehen. Was Iain dabei besonders wurmte, war seine mangelnde Erfahrung auf diesem Gebiet. Er wußte zwar theoretisch über jeden Handgriff Bescheid, aber praktisch hatte er einen solchen Eingriff niemals durchführen müssen. Sie würden auch nach einer längst aus der Mode gekommenen Methode operieren müssen, da für eine Bauchspiegelung, die sogenannte laparoskopische Appendektomie, die nötigen Instrumente nicht zur Verfügung standen. Er war froh, daß er Skalpelle, Nadeln und Faden für eine OP der alten Schule mitführte, wenngleich ihm die Bauchspiegelung allein deshalb vertrauter war, weil er sie regelmäßig im Krankenhaus hatte mitverfolgen können. Hier nun mußte er sich auf Wissen aus seinem Studium, das schon einige Jährchen zurücklag, verlassen… Immerhin hatte er eine OP-Schwester und seine Francis zur Seite, die ihn gegebenenfalls korrigieren konnten, wenn er im Begriff wäre, einen Fehler zu begehen, dachte er. Dieser Gedanke beruhigte ihn.
    „Ist eine Operation denn unter allen Umständen unausweichlich?“ fragte Luise ängstlich und riß den Arzt durch diese Frage jäh aus seinen Betrachtungen, da dieser schon die einzelnen Schritte des Eingriffes im Kopf durchspielte. „Unter allen Umständen, Frau Bühler, unter allen Umständen. Wenn wir nichts tun oder zu lange warten, ist es sehr wahrscheinlich, daß der Blinddarm durchbricht. Das heißt, die entzündete Darmwand reißt ein und Stuhl, Eiter und mit ihnen infektiöse Bakterien gelangen in den Bauchraum. In diesem Fall würde ihnen eine Bauchfellentzündung drohen – und damit ist nicht zu spaßen.“

    „Tun Sie, was Sie für richtig halten, Herr Doktor“, erwiderte Luise Bühler bleich, jedoch gefaßt, sich damit in ihr Schicksal fügend.

    Aber noch eine andere Sache quälte Iain, nämlich die der Betäubung. Ein solcher Eingriff wurde in der Regel nur unter Vollnarkose des Patienten durchgeführt. Er war jedoch kein Anästhesist und besaß kein Betäubungsmittel. Bei vollem Bewußtsein und Schmerzempfinden des Patienten operieren zu müssen, war eine grausige Vorstellung. Die Frau würde vermutlich vor Schmerzen ohnmächtig werden, aber man müßte sie vorher ordentlich fixieren. – Schmerzmittel? Er wendete sich dem Zweiten Offizier zu und fragte ihn leise: „Habt ihr Morphium an Bord? Eine geringe Dosis sollte ausreichen.“ Dieser bejahte: „Kein Problem, wird erledigt. Wenn das kein Notfall ist, dann weiß ich nicht, für was wir’s lagern…“

    Das Krankenzimmer war von Neonlicht erhellt. Die Patientin lag, durch das schwere Schmerzmittel ruhiggestellt, entspannt auf der Liege, während Iain, Francis und Claire Fontaine, die französische OP-Schwester, um sie herum die Utensilien für die Operation bereitlegten. Der Raum und auch die Kleidung des Teams war freilich alles andere als steril, aber das Risiko eines Durchbruchs war höher zu veranschlagen als die Möglichkeit einer Infektion aufgrund mangelhafter Sterilität. Die Handschuhe, die sie trugen – und auch die Skalpelle, die Iain einsetzen würde –, waren jedenfalls über jeden Zweifel erhaben, weil noch frisch verpackt. Der Eingriff konnte beginnen: „Erstes Skalpell!“ hörte man Iain sagen. „Hier, Doktor“, erklang Claires helle Stimme. Sie reichte es ihm, und er machte unterhalb des Nabels einen etwa sechs Zentimeter langen Schnitt, wobei er sich nach dem Verlauf der Hautlinien und Muskelfasern richtete, was das Abheilen der Wunde später erleichtern würde. Indes hielt Francis Luises Hand, strich ihr über die Stirn und sprach ihr gut zu. Iain suchte sodann den unteren Pol des Blinddarms auf, von dem der Wurmfortsatz abgeht. Nachdem er die zuführenden Gefäße

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