Das Kreuz des Zitronenkraemers
gleichen Meinung wie Hannes. Sie sagte ihm offen heraus, dass sie im Moment gar nicht mehr wüsste, was sie fühlt. Dass sie heute nach Hause in ihre Wohnung fahren wollte. Dass sie trotz allem etwas Abstand wahren sollten. Hannes nickte immer nur zustimmend.
Mittlerweile konnte er sie fast nicht mehr sehen. Der Nebel wurde immer undurchdringlicher. Hannes scheuchte ihn mit der Hand von sich weg. Auch Anne schien sich nicht weiter über dieses unglaubliche Wetterphänomen in der Küche zu wundern und analysierte unbeeindruckt weiterhin ihr derzeitiges Verhältnis, welches sich insbesondere durch die damit einhergehende psychische und emotionale Destabilität auszeichnete.
Hannes verstand zwar kein Wort, war aber grundsätzlich derselben Meinung. Er hätte sich wahrscheinlich nur ein wenig anders ausgedrückt. Anne unterbrach ihren Vortrag um sich mehrfachen, heftigen Hustenanfällen hinzugeben.
Was stank hier eigentlich so? Oh mein Gott. Endlich wieder auf der Erde zurück sprang Hannes auf und zog die Bratpfanne vom Herd. Es rauchte und zischte wie aus einer alte Dampflok. Anne war ebenfalls aufgesprungen und riss das Fenster sperrangelweit auf. Hannes lief immer noch mit der rauchenden Pfanne durch das Zimmer. Unter Wasser durfte er sie nicht halten, dass würde eine Stichflamme bis zur Decke heraufbeschwören. Also lief Hannes irgendwann geistesgegenwärtig nach draußen in den Garten und warf das verkohlte Etwas in seinen geliebten Fischteich. Hoffentlich hatte das kein zartrosa Koi - Filet zur Folge! Das Gusseisen ging dampfend und zischend unter. Anne war inzwischen von hinten an ihn herangetreten. „Ich habe den Herd ausgemacht“, sagte sie und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. „Weißt du, wie du aussiehst?“ So sehr Hannes es versuchte, er konnte es einfach nicht unterdrücken, zu lachen. Sie hatte überall schwarze Rußflecken im Gesicht. Schweißperlen auf der Stirn und sah dabei unglaublich stolz auf sich selbst aus. Sie zog sich laut hörbar die Nase hoch. Fehlte nur noch, dass sie auf den Boden spuckte. Sie wirkte wie ein Feuerwehrmann nach dem erfolgreichen Löschen eines schweren Buschfeuers. „Du siehst aus wie Grisu, der Feuerwehrdrache … Ich habe den Herd ausgemacht“, Hannes ahmte ihre Worte von eben in einer tiefen und wichtigtuerischen Stimme nach. Er lachte sich noch kaputt. „Gut gemacht, Feuerwehrmann Grisu … den Herd gelöscht … “ Hannes salutierte vor ihr. Dann musste er sehen, dass er wegkam. Sie hatte sich einen Pantoffel vom Fuß gezogen und schlug wie wild auf ihn ein. Hannes flüchtete, aber sie erwischte ihn immer wieder.
„Und weißt du, wie du eben ausgesehen hast“, rief sie ihm atemlos hinterher „bist mit deiner dampfenden Fackel herumgerannt, wie ein berühmter Athlet kurz vor dem Entzünden der olympischen Pfanne, äh, Flamme …“
Hannes drehte sich um und Anne lief in ihn hinein. Als Dank dafür zog sie ihm den Pantoffel mit voller Wucht über den Kopf. „Autsch“, dummerweise hatte sie die noch nicht verheilte Kopfplatzwunde erwischt. „Oh, tut mir leid“, stammelte Anne beschämt. „Schon gut“, tröstete er sie und nahm sie in die Arme. Sie schmiegte sich an ihn und Hannes merkte, dass sie weinte. „Alles wird wieder gut“, er streichelte ihr behutsam über den Kopf. „Wir schaffen das schon.“
Hannes ließ sie los. „Komm wir gehen rein und rufen Claire an. Mal hören, ob es was Neues aus der Entführerecke gibt. Und dann überlegen wir weiter, was wir vielleicht noch tun könnten.“
„Okay.“ Anne ging voraus Richtung Haus. Hannes musste erst ein paar Mal tief Luft holen, bis er ihr folgte. Hoffentlich war die Sache bald überstanden. Lange konnte er es so wirklich nicht mehr aushalten.
Auf Frühstück hatte irgendwie keiner von beiden mehr Lust und Hannes schnappte sich sein Handy. Es tutete noch nicht einmal, da antwortete Claire schon. Sie war ein psychisches Wrack. Sie beschimpfte Hannes, dass der Kerl immer noch nichts von sich hören gelassen hätte und dass er nicht mehr anrufen sollte. Bei jedem Klingeln stünde sie kurz vorm Durchdrehen. Sie würde sich melden, sobald es Neuigkeiten gäbe. Dann legte sie auf. Hannes war ihr nicht böse. Kein Wunder, dass sie kurz vorm „Herzkranzfaserkatharr“ stand. Er hatte vollstes Verständnis für sie und wünschte sich nur, er könnte irgendwie helfen.
„Vielleicht sollten wir noch mal das Revier absuchen“, schlug er mehr oder weniger entschlossen
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