Das Kreuz des Zitronenkraemers
vor. Anne überlegte. „Aber nicht mit dem Auto.“ Sie sah Hannes voller Tatendrang an. „Das bringt doch nichts, immer nur auf den Wegen herumzufahren. Wir nehmen die Pferde.“
„Was?“ Hannes war entsetzt. „Du willst ausreiten?“
„Warum nicht, Hannes? Wir durchkämmen den Wald mit den Pferden. Du kannst Nikolaus sicher haben. Ist doch Sonntag. Heute sind keine Reitstunden, also wird er nicht gebraucht. Vielleicht finden wir auf diesem Weg was?“
Hannes war immer noch unentschlossen. „Wenn du meinst“, ihr Blick war so eindringlich, dass er gar nicht anders konnte. „Na gut, versuchen wir es.“
Sie ritten endlos. Der alte Nikolaus hatte ungefähr genauso viel Elan wie Hannes. Hannes spürte jeden Muskel und Knochen in seinem Körper, er war einfach viel zu lange nicht mehr geritten. Anne auf Pam hingegen schritt unbeirrt immer weiter. Ständig musste sie auf die beiden anderen warten. Anne war unermüdlich. Zuerst sind sie zum Zitronenkreuz rauf. Hannes war die ganze Sache nicht geheuer. Er fühlte sich hilflos und vollkommen ohne Schutz auf dem Pferderücken. Was, wenn sie ihm begegnen würden? Mit nichts zwischen ihnen und seiner Pistole als blanker Luft? Im Auto hatte man doch ein anderes Gefühl. Aber Anne war nicht mehr zu bremsen. Vom Zitronenkreuz aus sind sie zunächst nach Mehring runter, dann quer durch den Wald Richtung Schweich. Sie sahen nichts Außergewöhnliches. Überhaupt nichts. Drei Stunden waren sie mittlerweile schon unterwegs. Es war sinnlos. Endlich gab auch Anne auf und sie ritten stillschweigend im Schritt zurück zum Stall. Sie hörten weiteres Hufgetrappel. Marie und ihre Freundin Lara kamen ihnen auf ihren Pferden entgegen. Freudig winkten. „Wir reiten nach Schweich in die Eisdiele, habt ihr nicht Lust mitzukommen?“, rief Marie.
„Wir kommen gerade aus derselben Richtung“, winkte Anne ab.
„Tut mir leid, aber die Pferde und Hannes sind platt, wir sind schon eine Weile unterwegs.“ „Passt gut auf euch auf“, rief Hannes den beiden Mädels noch im Vorbeireiten zu. Dass sie einen Reitunfall haben könnten, meinte er damit allerdings nicht. Verdammt. Er musste endlich diesen Dreckskerl aus seinem Revier kriegen.
Anne blieb noch bis zum Abend bei Hannes. Es gab keine Neuigkeiten den ganzen Tag. Also schien der Entführer sich nicht bei Claire gemeldet zu haben. Anne würde Claire trotzdem später noch mal anrufen, hatte sie kurz vor ihrer Abreise verkündet. Hannes winkte ihr nach, als sie mit ihrem Auto seinen Hof verließ. Er hätte sie gerne festgehalten. Irgendwie hatte Hannes ein ungutes Gefühl.
Kapitel 19
Der Wecker klingelte um 07.00 Uhr. Montagmorgen. Anne dachte mit einem mulmigen Gefühl daran, heute wieder zur Arbeit zu müssen. Aber um eine weitere Woche frei zu bitten, traute sie sich nicht. Schließlich konnte sie die wahren Gründe nicht angeben: Dass sie mit Hannes zusammen daran arbeitete, einen Mord aufzuklären, damit gleichzeitig den Einbruch in ihre Wohnung und sie zudem noch ein Entführungsopfer befreien und retten wollten, konnte sie nun mal niemandem auf die Nase binden. Es war sowieso alles Wahnsinn. Spät in der Nacht hatte sie noch mit Claire telefoniert. Der Entführer hatte sich nicht gemeldet. Diese Tatsache rief in Anne ein mehr als ungutes Gefühl hervor. Ob Andreas überhaupt noch lebte?
Anne stöhnte, es nützte ja alles nichts. Sie würde zur Arbeit fahren. Ob sie nun zu Hause saß und grübelte oder versuchen würde, sich im Büro etwas abzulenken. Nichts brachte wirklich einen Unterschied. Tun konnte sie sowieso nichts. Anne fühlte sich total ausgelaugt.
Bisher waren sie nur scheinbar nutzlosen Spuren hinterher gejagt. Alle ihre Verdächtigungen hatten sich als nichts als blauer Dunst erwiesen. „Im Kreis gedreht haben wir uns die ganze Zeit“, schimpfte sie laut. „Gritzfeld, Krischel, Michael … nichts als falsche Fährten … nur wertvolle Zeit verschwendet!“ Sie lachte sich höhnisch selber aus. „Tolle Detektive sind wir. Und Andreas sitzt irgendwo da draußen. Das hoffe ich wenigstens noch.“ Sie hätten doch die Polizei einschalten sollen. An so etwas sollte man Profis ran lassen, aber Claire war davon nicht zu überzeugen. Anne schüttelte hilflos den Kopf. Schließlich ging es um das Leben von Claires Mann, also hatte sie die Entscheidungsgewalt.
Später in der Agentur versuchte sie allen glaubhaft zu versichern, dass es ihr gut gehe und sie im Urlaub relaxt und abgeschaltet
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